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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Krankenhäusern der Stadt vorbeifloß. Verseucht, wie er war, war es unvorstellbar, daß die Stadtbewohner jemals gesund werden sollten.
    Und auf dem Rückweg gingen wir über die vor Menschen wimmelnden Schlammstraßen bis in den Bienenschwarm von Thamel, und überall um uns herum wurde es ersichtlich, daß die Einheimischen ihr Bestes gaben, um von dem unerschöpflichen Vermögen zu leben, das die abendländischen Besucher mit sich zu bringen schienen, und einigen gelang es und anderen nur zum Teil, und wieder andere scheiterten einfach, aus welchen Gründen auch immer, und lebten auf den Straßen und bettelten, um nicht zu verhungern. Ich hatte getan, was ich konnte, um zweien dieser Menschen zu helfen, einem Mann und seinem kleinen Mädchen, bis Freds mich eines Nachts, als er besoffen gewesen war, gescholten und mir gesagt hatte, daß es diesen beiden noch relativ gut ging, da Menschen wie ich sich auf das niedliche und pathetische kleine Mädchen konzentrierten; daß es alte Männer und alte Frauen gab, die allein waren, keine Beachtung fanden und noch ein paar Stufen unter diesem Mann und seiner Tochter lebten; und danach hatte ich im Prinzip aufgegeben. Ich wußte nicht, was ich tun, ich wußte nicht, wie ich helfen sollte. Katmandu war nicht mehr dieselbe Stadt wie früher. Und nun deutete Nathan mit der Hand auf den Abfallhaufen auf der Straße ein Stück über dem Hotel Star und dem Kathmandu Guest House und sagte: »Siehst du, was ich meine?«
    Und ich konnte nur sagen: »Ja, ich sehe, was du meinst.«

11

    So standen die Dinge, als Nathan und Sarah bei mir vorbeikamen, um zu sehen, ob ich zu einem Entschluß gekommen sei, und Freds und ich saßen da und rauchten ein Haschpfeifchen, und Nathan nahm natürlich an, daß wir uns gegen ihn verschworen hatten, und zog seine Oberlippe mit einem deutlichen Ausdruck von Abscheu hoch. »Ich weiß nicht, wie ich überhaupt auf den Gedanken gekommen bin, du würdest den Armen von Nepal helfen wollen«, sagte er verbittert. »Du bist nur ein Trek-Führer, der das Land nach Strich und Faden ausbeutet. Ich wünschte, ich hätte dich nie kennengelernt.«
    »Weißt du was?« sagte ich wütend. »Ich wünschte auch, ich hätte dich nie kennengelernt. Ich wünschte mir sogar, ich hätte deinen Brief an Freds nicht gestohlen und gelesen, denn dann hätte ich nie was mit euch zu tun bekommen und hätte noch meinen Spaß, und ich würde mehr als nur hundertdreißig Pfund wiegen!« Es fiel mir schwer, ihn nicht anzuschreien. »Aber du!« schrie ich. »Du hättest Freds nie gefunden oder deinen gehirngeschädigten Yeti gerettet oder wärst mit deiner Sarah zusammengekommen!«
    »Du hast diesen Brief gestohlen?« sagte Nathan und ignorierte alles andere, was ich gesagt hatte.
    »Na ja. Ja, hab' ich. Er sah interessant aus.«
    Nathan warf die Hände hoch. »Kein Wunder, daß du uns nicht helfen willst! Ich meine, was für Prinzipien … ich meine, wer würde schon einen Brief stehlen?«
    »Ich.«
    Freds atmete laut aus. »Er bringt bei der Bürokratie hier sowieso nichts zustande. Ohne ihn seid ihr besser dran. Wir haben versucht, ihn dazu zu bringen, uns zu helfen, und was kam dabei heraus? Sie haben mit seinem Gehirn Fußball gespielt. Wertlos. Paßt auf. Singha Durbari« fauchte er mich an. »Seht ihr? Er zuckt zusammen, wenn er nur den Namen hört.«
    »Undankbarer Mistkerl«, sagte ich zu ihm. »Frag lieber mal deinen Manjushri Rimpoche, ob ich wertlos war. Frag Colonel John, ob ich wertlos war.«
    »Wenn wir ohne ihn besser dran wären«, machte Sarah Freds klar, »würdest du nicht versuchen, uns zu überzeugen, auf seine Hilfe zu verzichten.«
    »Genau«, sagte ich. Sarah schien die einzige zu sein, die darauf geachtet hatte, was ich darüber gesagt hatte, wie sie und Nathan zusammengekommen waren, und sie beobachtete mich während des Streits mit einem leisen Lächeln, das mich zusätzlich aufbrachte. »Du zeigst lieber etwas Dankbarkeit«, knurrte ich Nathan an, »oder ich helfe vielleicht doch Freds, und dann hast du wirklich Probleme. Hier, setz dich und rauch die Friedenspfeife mit uns.«
    »Nichts da«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich versuche, ein ernstes Gespräch zu führen.«
    »Spielverderber.«
    »Degenerierter Affe.«
    »Brückenzerstörer. Lügner. Verräter. Tierdieb.«
    Die Haut auf Nathans Wangen färbte sich bis auf eine schmale Linie über seinem Bart hellrot. Ich fand dieses Phänomen interessant und versuchte, mir noch ein

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