Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
ich einen ganzen Stapel Bakschisch von der South Asian Development Agency dabei, den ich ihm mit einer beredsamen Entschuldigung für den kleinen Zwischenfall überreichen wollte, mit dem unsere letzte Begegnung ausgeklungen war; ich wollte ihm erklären, daß ich als Folge einer ernsten Krankheit und eines Falls von Wahnsinn in meiner unmittelbaren Umgebung unter Streß gestanden hatte. Meines Erachtens ist es am besten, wann immer möglich die Wahrheit zu sagen.
    Doch als ich mich A. Rana näherte, wandte er sich in meine Richtung, nickte kurz und wartete dann, um zu erfahren, wer ich sei und was ich wolle. Er erkannte mich nicht.
    Ich hatte fünf Milliarden Stunden in seinem Büro verbracht; und als wir uns das letzte Mal gesehen hatten, hatten wir uns gegenseitig angeschrien; doch er erinnerte sich nicht an mich. So weit außerhalb seines Systems stand ich.
    Das war ein so großer Schock, daß ich eine Weile brauchte, um mich zu sammeln. Wenn man bedachte, wie unsere letzte Begegnung verlaufen war, konnte ich natürlich von Glück sprechen, daß er mich nicht erkannte; aber dennoch kam ich mir ganz schön angepinkelt vor. Daß er mich nach all diesen Qualen einfach vergessen würde … Ich schluckte meine Verwirrung runter und fand mich damit ab. Ich stellte mich als Repräsentant der South Asian Development Agency vor, was augenblicklich sein Interesse erregte, zweifellos, weil die Organisation für ihre schludrige Buchhaltung bekannt war. Ich erzählte ihm von dem Kanalisationsprojekt, und er nickte und sagte mir, ich solle am Nachmittag in sein Büro kommen.
    Ich hatte diesen Film schon einmal gesehen und wollte ihn nicht noch einmal sehen.
    Dennoch versuchte ich es erneut und machte mich wieder an die übliche Runde der Besuche und Schmiergeldzahlungen. Es kam nichts dabei heraus, wenngleich ich immerhin einige Dinge über seine neue Position im Sekretariat bestätigen konnte. Es stimmte; irgendwie hatte er sich aus dem Schlamassel geschlichen, den ich ihm mit dem Grenzzwischenfall eingebrockt hatte, und mehr noch – er war daraufhin sogar befördert worden. Ich konnte mir nicht vorstellen, wieso. »Oh, Sir! Anscheinend bin ich verantwortlich für eine Krise, wegen der die Inder und Chinesen beinahe über uns hergefallen wären. Die vielleicht sogar den Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte!« – »Gut. Sie werdem zum Leiter des Amtes befördert, das die gesamten ausländischen Hilfsmaßnahmen kontrolliert.« Na schön. Noch ein großes Geheimnis Nepals.
    Es verstärkte meinen schon gesunden Respekt für A.SJ.B.R.s machiavellische Fähigkeiten, die Leiter hinaufzufallen, und ich ging mit ihm so vorsichtig wie möglich um. Doch schon nach einer Woche des üblichen Spiels der Verzögerungen und das Handaufhaltens stellte ich fest, daß meine Geduld, in seinem Büro herumzusitzen, völlig verschwunden war. Ich konnte es nicht ertragen. Ich wünschte ihm vom letzten Mal noch immer alles Schlechte – haßte ihn sogar geradezu –, und obwohl es ganz nützlich war, daß er sich nicht an mich erinnerte, wurmte mich das ganz schön. Ich konnte es ganz einfach nicht mehr ertragen, herumzusitzen und auf ihn zu warten.
    Also arrangierte ich ein Treffen mit Bahadim und fragte ihn, ob sein Spionagesystem auch die Überwachung von A. Ranas Büros einschloß.
    Bahadim nickte. »Sie wissen, wie es in Nepal ist – die ausländischen Hilfsorganisationen sind eins der größten Machtzentren hier. A. Rana ist nicht die wichtigste Person auf diesem Gebiet, doch er scheint schnell aufzusteigen, und wir haben einen Tunnel unter sein Büro gezogen. Möchten Sie ihn gern beobachten?«
    »Oh, Mann!« Ich legte eine Hand auf mein Herz. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie toll das klingt. Das ist die beste Nachricht, die ich seit Jahren gehört habe!«
    Bahadim musterte mich seltsam, und ich nahm Abstand davon, ihn zu küssen. Doch diese Neuigkeit freute mich wahnsinnig, und ich hätte nicht glücklicher sein können, als mich Bahadim und einer seiner Gefährten am nächsten Tag durch Yongtens Laden und in die Tunnels hinab begleiteten. Ich folgte ihnen unter den Palast und stieg hinter Bahadim eine der Leitern hinauf. Dort oben war kaum Platz genug für uns beide; es handelte sich um eine kleine, niedrige Erdhöhle. Ein Teil der Decke war höher als der Rest und bestand aus Holz; das war die Ecke des Bodens in A. Ranas Büro. Ein kleines Spiegelteleskop und ein Hörtrichter waren dort, wo der Boden gegen die Wand stieß, in kleine

Weitere Kostenlose Bücher