Flucht aus Katmandu
Risse eingelassen. Ich sah in das Periskop und machte nach einer Weile die Ecke eines Schreibtisches und eine Wand aus. Kein Mensch zu sehen. Doch als Bahadim den Stöpsel aus dem Hörtrichter zog, konnten wir Stimmen über uns hören, die sich laut und schnell auf Nepalesisch unterhielten.
Ich hatte dafür gesorgt, daß Nathan gleichzeitig A. Rana aufsuchte, in der Hoffnung, ein geheimes Gespräch über unseren Fall anzuregen. Nachdem Bahadim und ich eine Weile dort herumgesessen hatten, hörte ich, wie mitten in einem nepalesischen Wortschwall sein Name fiel: »Mr. Nathan Howe.« Alle Stimmen zogen sich daraufhin in das Vorzimmer zurück, wo ich nur den Klang von Nathans Stimme vernehmen konnte, der mit A. Rana sprach – was sie sagten, konnte ich nicht verstehen.
Schließlich kehrte A. Rana in sein Büro zurück und griff zum Telefon. Bahadim rutschte herum, damit er den Mund auf mein Ohr drücken und mir das Gespräch im Flüsterton teilweise übersetzen konnte. »Er spricht mit einem Freund im Amt für Öffentliche Arbeiten … über die Kanalisation, ja. Er hat vor, den Vertrag für diese Arbeiten seinem Freund zu geben.« Plötzlich verstummte Bahadim und lauschte lange angestrengt. Ich betrachtete im Halbdunkeln sein Gesicht. A. Rana legte auf, und Bahadim flüsterte in mein Ohr: »In Wirklichkeit ist er für den Vertrag schon honoriert worden, und die Arbeiten werden bald beginnen. Sie verzögern die Sache nur noch, um über Mr. Howe mehr Geld aus der Organisation herauszuholen.«
»Hat er gesagt, wann sie anfangen wollen?«
»Nein.«
Ich stieg die Leiter in die Höhle hinab, und wir zogen uns in Bahadims kleines unterirdisches Büro zurück. Während er eine Kanne Tee kochte, schlug ich mir nervös mit der Faust in die Handfläche. »Was hat das zu bedeuten?«
»Es bedeutet nur, daß das Projekt gebilligt wurde und A. Rana die Organisation noch nicht darüber informiert hat. Das ist eine allgemein übliche Taktik bei solchen Organisationen, um mehr Bakschisch zu bekommen. Die South Asian Development Agency ist für ihre nachlässige Buchhaltung bekannt.«
»Verdammt«, sagte ich. »Dieser A. Rana ist solch ein Schurke.«
»Wahrscheinlich ist es nicht allein seine Schuld.«
»Wessen dann? Wer trifft die Entscheidungen dort oben?«
Bahadim schenkte uns achzelzuckend Tee ein. »Das kann niemand genau sagen. Jeder, der behauptet, zu wissen, wie das Palastsekretariat seine Entscheidungen trifft, lügt. Der Palast ist das, was Sie einen Abgrund ohne Boden nennen. Menschen gehen hinein – Informationen, Geld, Gesuche gehen hinein, und Entscheidungen kommen heraus. Was darin geschieht, ist geheim. Verstehen Sie, sie wollen nicht, daß man es erfährt. Niemand, der außerhalb steht, darf es wissen. Das ist ein Brauch, den wir in Nepal pflegen, der Drang, einige Geheimnisse für uns zu behalten. Die Welt ist groß, und wir sind klein, und so verspüren wir das Bedürfnis, etwas zu haben, was uns allein gehört. Einige Geheimnisse, wenn schon sonst nichts.«
»Aber die Korruption, die dadurch entsteht!«
»Ich weiß.«
»Sie brauchen Gesetze, Bahadim. Sie brauchen irgendein legales System. Eine konstitutionelle Monarchie, oder was auch immer.«
Bahadim nippte an seinem Tee, richtete aber trotzdem wütend einen Finger auf mich. »Glauben Sie mir, das sind sehr böse Worte im Palast. Konstitutionelle Monarchie, herrje! Es hat schon großen Ärger verursacht, als andere Regierungen diesen Begriff ganz unschuldig benutzten, denn für uns ist er ein Kode, verstehen Sie? Der königlichen Familie jagt er einen großen Schrecken ein, denn er erinnert sie an die Tage, als sie von den Ranas beherrscht wurde und völlig machtlos war. Und den Ranas jagt er einen großen Schrecken ein, weil er ein offenes System andeutet, das ihrer Macht ein Ende bereiten würde.«
»Aber ich dachte, die Ranas wären in den fünfziger Jahren gestürzt worden! Haben Sie mir das nicht gesagt?«
Er drehte die Hand mehrdeutig. »Es entsprach fast der Wahrheit. Doch in den darauf folgenden Jahren sind sie wieder an die Macht gekommen. Weil die Shahs immer Ranas heiraten. Die Königin ist eine Rana, verstehen Sie? Und die beiden jüngeren Brüder des Königs, sie sind mit zwei jüngeren Schwestern der Königin verheiratet. Und die Köpfe der Armee sind Ranas. Und alle über uns …« Er deutete mit der Hand nach oben, um zu zeigen, daß er den Palast meinte. »Ranas. Diese Familie beherrscht unser Land. Wir brauchen dringend die
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