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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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beliebt war die Strecke doch gar nicht, oder?«
    Das war wieder mal typisch George. Wie viele Abendländer, die im Himalaja kraxeln, sieht er das Land nur als Ultimaten Bergspielplatz mit einer Menge Hasch und einer Menge ziemlich billigem exotischem Lokalkolorit als Dreingabe. Als Ort, wo man ein paar Jahre lang ganz billig leben kann, vorausgesetzt, man hat nichts gegen Krankheiten und schlechtes Essen. Also lag er in der Sonne, führte seine Treks, bestieg die Berge und scherte sich um alles andere einen Dreck, und wie die meisten Abendländer, die schon lange hier lebten, haßte er allmählich die Touristen, weil sie unwissend waren, und verachtete die Einheimischen, weil sie unwissend waren, und kam langsam zur Meinung, daß es niemand in Nepal richtig machte, abgesehen von ihm und seinen Kumpeln, und die waren, wie es so schön heißt, auch noch verdächtig.
    Also hatte er gar nichts begriffen. Aber er war nicht so schlecht wie die meisten – das glaubte ich zumindest. »Komm, George, ich lade dich zum Mittagessen im Marco Polo ein, und dann erzähl ich dir unter vier Augen davon. Wie ich schon sagte, die Sache ist ziemlich kompliziert.«
    Also zog George sein T-Shirt und seine Vuarnets an, und wir gingen hinunter. Es war kurz vor Mittag, heiß und feucht, und der tägliche Regen würde bald fallen, und alle im Hotel sahen aus, als wandelten sie wie in Trance umher, abgesehen von der Frau mit dem Kind auf dem Rücken, die sich auf Händen und Knien ihrer täglichen Aufgabe widmete, den Innenhof mit einem Handfeger zu säubern. Dann hatten wir die Hotelpforten verlassen und gingen am Tantric Used Book Shop vorbei nach Thamel, dem Hotelzentrum von Katmandu. In diesem Viertel war zur Monsunzeit kaum was los, was aber nur bedeutete, daß die Taxifahrer und Teppichhändler, Haschdealer und Geldwechsler und Bettler es eifriger denn je darauf abgesehen hatten, unsere Aufmerksamkeit zu erregen. »He, Mr. Nein!« riefen sie George zu und lachten, als er über die Pfützen sprang und sein übliches »Nein, nein, nein, nein!« zu jedem sagte, an dem er vorbeikam, ganz gleich, ob er angesprochen wurde oder nicht. Er war entspannt und lebhaft und ließ es sich gutgehen, tat seine Pflicht und war überall beliebt, der typische Abenteurer aus L. A., etwa einsachtzig groß und wie ein Profifootballer gebaut, dunkelhaarig und auf eine lässige Art durchaus gutaussehend und so cool, daß man mit ihm Pferde stehlen konnte, ja in der Tat so cool, daß die Leute auf der Straße sogar ihren Spaß an seinem üblichen »Nein, nein!« hatten. Ich müßte mir das eigentlich auch mal angewöhnen, war bislang aber noch nicht dazu imstande, und so gehe ich normalerweise ohne eine jede Rupie aus dem Haus, damit ich mir kein Geld ablabern ließ, doch diesmal hatte ich genug dabei, um das Essen für George und mich bezahlen zu können, und wem liefen wir über den Weg? Ausgerechnet einem Bettler, den wir ständig sahen, einem Burschen, der mit seiner kleinen Tochter im Schlepptau durch Thamel wanderte. Er entblößte bei seinem Lächeln dann seine Zahnlücken, und das kleine Mädchen von etwa sechs Jahren lächelte ebenfalls, und beide streckten die Hände aus und waren auch ganz gut darin, denn zumindest ich konnte ihnen niemals widerstehen, und nachdem George sein »Nein!« gemurmelt hatte, gab ich ihnen unser Essensgeld, in der Hoffnung, daß ich George anpumpen und dann sagen konnte, er hätte dem Bettler und seiner kleinen Tochter geholfen, während ich ihn wie abgemacht zum Essen eingeladen hätte.
    George ahnte von meinen Absichten noch nichts, doch als er zurückschaute und sah, was ich tat, war er immer noch sauer auf mich. »Du ermutigst sie nur, Freds.«
    »Ja, ich weiß.«
    George hatte nicht das geringste Mitgefühl für diesen oder irgendeinen anderen Bettler. Ich erinnere mich noch, wie wir uns einmal durch die schmale Hauptstraße kämpfen mußten, und dann hatte er zurückgeschaut und die ganzen Leute betrachtet, die uns alle anstarrten, und war regelrecht ausgeflippt. »Die stehen da wie Kegel auf einer Kegelbahn, meinst du nicht auch, Freds? Die stehen da und sehen dich an, als könntest du … he, warte mal!« Und er war in die German Pumpernickel Bakery gestürmt und mit einem dieser großen dunklen Brote herausgekommen, die einen mit ihrem Gewicht und ihrer allgemeinen Beschaffenheit tatsächlich an eine Bowlingkugel erinnern. Er drückte Löcher für den Daumen und einen Finger hinein, nahm einen langen Anlauf, bückte

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