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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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aufgezwungen wurde, und Wissen, um das man gebeten hat, und so beugte ich mich schnell vor und sagte wirklich leise:
    »Das Dorf ist in Wirklichkeit Shangri-La.«
    »Komm schon, Freds. Das ist ein erfundener Name aus einem Film. In den Fesseln von Shangri-La. Neu verfilmt als Der verlorene Horizont.«
    »Ja, richtig. Ich hätte nicht gedacht, daß du so viel darüber weißt. Der wirkliche Name lautet Shambhala. Aber wie auch immer man ihn nennt, es bleibt derselbe Ort.«
    »Ich dachte, Shambhala läge im nördlichen Tibet oder in der Mongolei.«
    »Sie haben gezielte Falschinformationen darüber verbreitet. Aber es liegt da oben an der Grenze und hat große Schwierigkeiten, weil man jetzt eine Straße dorthin bauen will.«
    George musterte mich. »Du willst mich verarschen, oder?«
    »Habe ich dich verarscht, als ich sagte, Kunga Norbu sei ein Tulku? Haben Nathan und ich dich mit Buddha verarscht?«
    Er mampfte vor sich hin und dachte darüber nach. »Ich glaub' dir nicht.«
    »Warum sollte ich lügen?«
    »Du würdest nicht lügen, Freds, aber man könnte dich reingelegt haben. Ich meine, woher willst du wissen, daß es wirklich Shambhala ist?«
    »Ich war dort. Ich habe etwa ein halbes Jahr lang dort gelebt.«
    Er musterte mich erneut. »Freds, wie, zum Teufel, kommst du dazu, sechs Monate in Shambhala zu leben?«

    Nun haben Sie sich vielleicht ebenfalls darüber gewundert, und um die Wahrheit zu sagen, ich auch. Wie wurde aus Freds Fredericks, berühmter Verteidiger der Razorbacks und typisch amerikanischer Veterinär mit abgebrochenem Studium, ein tibetanischer buddhistischer Mönch, der auch noch das geheime, verborgene Tal Shambhala gut kennt?
    Ich weiß es wirklich nicht. Einige von uns müssen in ihrem Leben seltsame Karmas bewältigen, und mehr kann ich dazu nicht sagen. Doch in gewisser Hinsicht begann es für mich schon, als ich im The Graduate in Davis, Kalifornien, war. Wie ich es George zu erklären versuchte, trank ich mir dort etwa 1976 nach einem Footballspiel ein paar Bierchen und hörte zufällig, wie ein Mädchen an unserem Tisch erklärte, sie könne keinen ihrer hervorragenden Hamburger essen, weil sie Vegetarierin sei, weil ihretwegen keine Tiere sterben sollten, weil sie Buddhistin sei. Und ich dachte: wie interessant. Und dann nahm ich an diesem Abend, noch immer betrunken, aus unserem Labor einen Abfallsack mit, um ihn in die Container hinter dem Gebäude zu werfen, und als ich den Sack hineinwarf, hörte ich, wie aus einem der Container ein Wimmern kam. Ich ging der Sache nach, indem ich die anscheinend verhexten Müllsäcke herausholte, und fand schließlich den Ursprung des Wimmerns, nämlich einen Hund, der in einem der Kurse benutzt worden war. Man betäubt diese Hunde, unterzieht sie einer Vielzahl chirurgischer Arbeiten, um den Studenten zu zeigen, wie das Innere eines lebendigen Tiers aussieht, und tötet sie dann. Sowas gibt es an den veterinärischen Fakultäten ständig. Doch anscheinend hatten sie diesmal Mist gebaut, oder der Hund war besonders zäh, denn er war nicht tot. Er lag ohne seine Hinterbeine da und wimmerte und sah zu mir auf, als könne ich ihm helfen. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn von seinem Elend zu erlösen, und er schnappte schwach nach mir, als ich es mit Händen, Stiefeln und Plastiksäcken versuchte, und wehrte jede meiner Bemühungen ab, bis ich ihm mit dem Containerdeckel das Genick brach. Ich lief danach eine Weile ziellos herum, fand mich schließlich auf dem Softball-Feld der Frauen wieder und fühlte mich einfach schrecklich. Und dann schaute ich die Straße entlang und über den Parkplatz und sah das runde Schild des Graduate, das aufblinkte und wieder erlosch, und etwas drehte sich in mir nach innen; später erfuhr ich, daß es mein Bodhi oder mein Erwachen zur wahren Natur der Wirklichkeit war, und ich sagte zu dem rautenförmigen Spielfeld: »Gott verdammt, ich bin Buddhist.«
    Ich wußte damals gar nicht, was ich damit meinte. Doch ich gab mein Studium auf, und wie sich herausstellte, fuhren ein paar meiner Kumpel etwa zur gleichen Zeit nach Nepal, um mal ordentlich Hasch rauchen zu können, und ich begleitete sie. Keiner von uns wußte was über Nepal, abgesehen davon, daß es dort Hasch und Buddhismus geben sollte, und mit der ersten Vermutung behielten wir recht, doch nach einer Weile wurde es ziemlich langweilig, und wir beschlossen, auf Trekking zu gehen, wie es damals die große Mode dort zu sein schien. Das war etwa um den ersten

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