Flucht aus Oxford
die eigene Mutter die exakte Zahl nicht kannte.
»Genau das meine ich. Es ist höchste Zeit, dass du an Hochzeit und Babys und solche Dinge denkst.«
»Hochzeit und Babys müssen nicht unbedingt zusammengehören«, erwiderte Kate. »Außerdem bin ich das Thema leid.«
»Erzähl mir mehr von deinem Leben in Oxford«, sagte Roz beschwichtigend, »und wie es dazu kam, dass du die Stadt für dieses Landleben hier verlassen hast.« Sie goss Wein in die beiden Gläser. »Du könntest mit deiner Geschichte fortfahren, bis das Essen kommt.«
»Irgendwie wurde es in meinem Haus in der Agatha Street immer enger. Es gab mehr und mehr Verpflichtungen. Ich fühlte mich angebunden«, begann Kate. Sie hatte ein halbes Glas Wein in einem Zug getrunken und sich ein wenig beruhigt. »Da gab es zum Beispiel diese Problemfamilie nebenan. Eine Mutter mit drei Kindern. Ich habe mich um den Ältesten gekümmert – Harley. Er bekam bei mir zu essen, und ich habe aufgepasst, dass er seine Hausaufgaben macht. Auch Harleys Hund Dave habe ich zu mir genommen, als der neue Freund von Harleys Mutter das Tier vor die Tür setzen wollte. Und dann war da noch meine Katze Susannah. Hast du sie gesehen, als du in der Agatha Street warst?«
»Eine rote Katze mit langen Beinen? Ja, die habe ich gesehen. Sie wirkte ganz glücklich – ich glaube, um das Tier brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»Sie war ein Geschenk von Paul, der ebenfalls häufig bei mir war und genauso häufig meinen Lebensstil kritisierte. Er hat sehr bürgerliche Ansichten. Er findet, dass ich endlich zur Ruhe kommen und mir einen vernünftigen Job suchen sollte. Außerdem legt er mir nahe, zu heiraten – am liebsten ihn – und Kinder zu bekommen. Er würde dir bestimmt gefallen. Aber mir war das alles zu viel, auch schon vor Andrews Tod. Hörst du mir eigentlich noch zu?«
Doch Roz hatte Blickkontakt mit jemandem am anderen Ende des Raums aufgenommen. Sie lächelte und hob ihr Glas.
»Du könntest wenigstens zuhören, wenn ich dir mein Herz ausschütte«, grollte Kate.
»Wie bitte? Ach, da kommt unser Essen! Das sieht aber gut aus!«
Während der nächsten Minuten ging es nur noch darum, wer Salz und wer Pfeffer wollte, ob man den Lachs mit Zitrone würzen sollte und wie viel Mayonnaise die Fritten vertrugen.
»Ich verstehe nicht, warum du kein eigenes Haus hast.«
»Das habe ich alles hinter mir gelassen.«
»Gleich wirst du mir erklären, dass du mit den Nerven am Ende bist.«
»Iss lieber. Du wirst dich schnell besser fühlen, wenn dein Blutzucker auf ein vernünftiges Niveau steigt.«
Kate aß, bis sie plötzlich feststellte, was ihre Mutter tat. »Hör auf, dem Kahlkopf da drüben schöne Augen zu machen. Seine Frau kommt gerade von der Toilette zurück, und sie hat ein bösartiges Monster mit grünen Augen auf der Schulter.«
»Gnade! Ich habe kahlköpfige Männer schon immer attraktiv gefunden.«
Kate legte Messer und Gabel auf den Tisch. »Bestell mir bitte ein großes Vanilleeis mit heißer Schokoladensauce als Nachtisch«, sagte sie. »Ich verschwinde mal eben.« Erleichtert ergriff sie die Gelegenheit, den aufdringlichen Fragen ihrer Mutter und ihrem peinlichen Interesse an Männern zu entgehen.
»Darf ich deine Fritten aufessen?«, rief Roz ihr nach.
»Wenn du magst.«
Als Kate zurückkehrte, musste sie feststellen, dass ihre Mutter ihre Abwesenheit genutzt hatte. Drei fremde Menschen saßen an ihrem Tisch.
»Das sind Alison und Ken Fanning«, stellte Roz vor.
»Nett, Sie kennenzulernen«, säuselte Alison Fanning. Sie war um die fünfzig, mit Haaren wie feine Drahtwolle, klaren blauen Augen und der glatten, rosigen Haut einer Frau, die ein gewisses Alter erreicht hatte, ohne allzu vielen unfreundlichen Seiten des Lebens begegnet zu sein. Außerdem sah sie aus, als wäre sie in gestrickten Haferbrei gekleidet.
»Kate! Sehr erfreut«, pflichtete ihr Ehemann bei und bedachte Kate mit beifälligen Blicken. Auch er wirkte frisch gewaschen und rosig, hatte kleine, fette Wülste unter den Augen und rundliche Hände mit geradezu perfekten Baby-Fingernägeln. Sein Kopf glänzte im Licht der Lampen. Es war der Mann, dem Kates Mutter vor dem Essen schöne Augen gemacht hatte. »Roz hat uns schon viel von Ihnen erzählt.«
Kate sank das Herz. Was mochte ihre Mutter gesagt haben, und wie viel davon war erfunden?
»Keine Sorge, es war alles sehr schmeichelhaft«, sagte der dritte Fremde.
»Darf ich dir einen ganz besonders netten Menschen
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