Flucht aus Oxford
unbestimmt drein und machte eine verständnislose Geste. »Merkwürdig, diese englischen Sitten.« Sie wird versuchen, sich auf die Besuchsliste der Hope-Stanhopes setzen zu lassen, dachte Kate.
»Aber in der heutigen Zeit dreht sich anscheinend alles nur um Geld«, fuhr Alison fort.
»Nicht alles«, wandte Tim ein, der eine gute Gelegenheit witterte. »Es gibt Menschen, die noch an andere Werte in unserer Gesellschaft glauben …«
»Ja, natürlich«, fiel Roz ihm ins Wort. »Aber berichten Sie doch weiter von den Leuten im Dorf. Es fasziniert mich. Und Sie können so wunderbar erzählen.« Ermutigend strahlte sie Alison und Ken an.
»Nun, es gibt natürlich mehrere Familien, die Landwirtschaft betreiben. Die Philbees, die Samsons und die Robinsons. Die sind schon seit der Römerzeit hier.«
»Wem gehört der große Bauernhof unten am Hügel?«
»Unmittelbar oberhalb der Hope-Stanhopes? Das ist Gatts Farm.«
»Ohne Apostroph«, fügte Ken hinzu.
»Wie bitte?«
»Als die Leute den Hof kauften, haben sie den Apostroph abgeschafft. Emma Hope-Stanhope sagt, sie seien zu vulgär, um zu wissen, wo er hingehört, aber ich glaube, das ist nur Neid.«
»Die Fullers haben nämlich innerhalb kürzester Zeit ziemlich viel Geld gemacht«, sagte Alison, als ob sie damit die Unzufriedenheit der Hope-Stanhopes erklären könnte.
»Selbstverständlich betreiben sie keine Landwirtschaft«, sagte Ken. »Die Fullers haben das zum Hof gehörende Land verkauft.«
»Und womit machen sie dann das viele Geld?«, forschte Roz.
»Mit dem Kauf und Verkauf von Antiquitäten«, sagte Ken Fanning. »Und sie sind damit sehr erfolgreich, wenn man nach ihrem Aussehen urteilt.«
»Protzig«, erklärte Alison.
»Gediegen«, korrigierte ihr Ehemann.
» Gatts Farm Antiques investiert ausgesprochen großzügig in meine Projekte«, warf der Reverend ein.
»Außerdem ist ihr Sohn Professor in Oxford«, fügte Alison hinzu. »Sie müssen also in Ordnung sein, oder?«
»Genau genommen ist er lediglich Dozent«, stellte Ken richtig. »In irgendeinem merkwürdigen Fach. Ich habe vergessen, was es war.«
»Ist er verheiratet?«, erkundigte sich Roz.
»Mutter!«, fauchte Kate.
»Oh nein, dazu ist er viel zu beschäftigt«, antwortete Alison.
»Ich freue mich sehr darauf, diese Leute alle kennenzulernen«, sagte Roz mit einer gewissen Endgültigkeit. »Und jetzt, Alison, müssen Sie uns erzählen, was Sie so tun.«
»Ich bin Schriftführerin der hiesigen Abteilung des Landfrauenbundes«, antwortete Alison stolz.
»Als hätte ich es geahnt«, murmelte Kate.
»Wie bitte, meine Liebe? Wir treffen uns einmal im Monat im Bürgerhaus. Sie sind natürlich herzlich willkommen, uns dort einmal zu besuchen. Bei unseren Zusammenkünften können Sie die echten Dorfbewohner kennenlernen.«
»Keine Fullers? Und keine Hope-Stanhopes?«, fragte Kate.
»Emma Hope-Stanhope ist zwar unsere Vorsitzende, aber sie ist leider nicht bei allen Treffen anwesend.«
»Landfrauenbund?«, hakte Roz nach.
»Natürlich!«
»Na ja, um ehrlich zu sein …« Roz zögerte.
»Und dann gibt es natürlich auch noch die Kirche«, trumpfte Tim auf. »Wir halten jeden Sonntag einen Gottesdienst ab, bei dem Männer und Frauen gleichermaßen willkommen sind.«
»Roz ist eine ausgezeichnete Sängerin«, sagte Kate mit ungerührtem Gesicht. »Vor allem liebt sie Kirchenlieder. Sagen Sie uns nur die Uhrzeit, und ich werde sicherstellen, dass sie kommt.«
»Vielleicht interessieren Sie sich auch für die eine oder andere unserer Aktivitäten«, fuhr Tim fort. »Ich versuche, vor allem junge Leute in christliche Projekte einzubinden, aber auch für ältere Gemeindemitglieder gibt es viele Angebote.«
»Vielleicht ein Kaffeekränzchen für Pensionäre? Das würde Roz sicher Freude machen, nicht wahr, Mutter?«
»Sehen Sie sich einfach unseren Gemeindebrief an. Sie finden sicher etwas, was für Sie infrage kommt.«
»Beim Landfrauenbund freuen wir uns immer über neue Gesichter«, erklärte Alison mit fester Schriftführerinnen-Stimme. »Wir sind ein geselliges Grüppchen. Wer weiß, vielleicht finden Sie ja bei uns ein paar nette neue Freundinnen. In diesem Monat geht es um Häkelarbeiten, die man verschenken oder mit denen man sein Heim verschönern kann.«
»Auch wenn der Vortrag Sie weniger interessiert – der Tee und der Kuchen danach sind den Besuch immer wert«, ergänzte Ken. Seine Frau verzog gequält das Gesicht.
»Ist eine von Ihnen beiden vielleicht besonders
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