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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Schutzumschlag oder in der Autorenbeschreibung erschienen.«
    Ich hatte in der Bibliothek einige von Beryls Büchern daraufhin durchgesehen.
    »Das ist richtig. Ich vermute, dass ich zu den wenigen Leuten gehöre, die wussten, wer sie wirklich war – und zwar wegen Joe.« »Ihrem Mann?«
    »Er und Mr. Harper waren Freunde«, antwortete sie. »Ich meine, soweit man bei Mr. Harper von Freundschaft reden kann. Sie lernten sich über Joes berufliche Tätigkeit kennen. Damit fing es an.«
    »Welchen Beruf übte Ihr Mann denn aus?«, fragte ich undfand, dass meine Gastgeberin viel weniger verkalkt war, als ich ursprünglich angenommen hatte.
    »Er war Bauunternehmer. Als Mr. Harper Cutler Grove kaufte, war das Haus stark renovierungsbedürftig. Joe hielt sich fast zwei Jahre dort draußen auf, um die Arbeiten zu leiten.«
    Eigentlich hätte diese Assoziation sofort bei mir klingeln müssen. McTigue Hoch- und Tiefbau und McTigue Bauholz waren die größten Baufirmen in Richmond und besaßen Zweigstellen in ganz Virginia.
    »Das war vor mehr als fünfzehn Jahren«, fuhr Mrs. McTigue fort. »Bei dieser Arbeit in Cutler Grove lernte Joe auch Beryl kennen. Sie kam ein paarmal mit Mr. Harper zur Baustelle, und als das Haus fertig war, zog sie mit ein. Sie war sehr jung.« Sie schwieg für einen Moment. »Ich erinnere mich noch, dass Joe mir damals erzählte, dass Mr. Harper ein schönes, junges Mädchen, das zudem eine begabte Schriftstellerin sei, adoptiert habe. Ich glaube, sie war eine Waise. Auf jeden Fall war es traurig. Natürlich hat damals niemand laut darüber gesprochen.« Sie setzte ihr Glas sorgfältig ab und ging langsam durch das Zimmer zu ihrem Sekretär. Sie zog eine Schublade auf und nahm einen beigen, mittelgroßen Briefumschlag heraus.
    »Hier«, sagte sie. Ihre Hände zitterten, als sie ihn mir herüberreichte. »Dies ist das einzige Bild, das ich von ihnen habe.«
    In dem Umschlag lag ein leeres Blatt schweren Hadernpapiers, das um ein altes, etwas überbelichtetes Schwarzweißfoto gefaltet war. Ein zartes, hübsches Mädchen, etwa zwischen fünfzehn und achtzehn, stand zwischen zwei stattlichen, braungebrannten Männern in Wanderkleidung. Die drei lehnten sich eng aneinander und blinzelten ins strahlend helle Sonnenlicht.
    »Das ist Joe«, sagte Mrs. McTigue und deutete auf den Mann links von dem Mädchen, das sicherlich die junge Beryl Madison war. Die Ärmel eines khakifarbenen Hemdes waren bis zu den Ellbogen seiner muskulösen Arme hochgekrempelt, und der Schirm einer Baseballmütze beschattete seine Augen. Rechts von Beryl stand ein großer, weißhaariger Mann. Cary Harper, wieMrs. McTigue sagte. »Es wurde unten am Fluss aufgenommen«, erzählte sie. »Damals, als Joe an dem Haus arbeitete. Mr. Harper war schon damals schlohweiß. Sie wissen doch, man sagt, sein Haar sei weiß geworden, als er gerade dreißig war und The Jagged Corner schrieb.«
    »Dieses Foto wurde in Cutler Grove aufgenommen?« »Ja«, antwortete sie.
    Beryls Gesicht faszinierte mich. Ein Gesicht, das viel zu weise und wissend für einen so jungen Menschen war; ernst und voller Sehnsucht und Trauer, wie ich es von Kindern kannte, die man misshandelt und im Stich gelassen hatte.
    »Beryl war damals noch ein Kind«, sagte Mrs. McTigue.
    »Sie dürfte wohl sechzehn oder siebzehn Jahre alt gewesen sein?«
    »Ja, da könnten Sie recht haben«, antwortete sie und sah zu, wie ich den Bogen Papier wieder um das Foto faltete und sorgfältig in den Umschlag steckte. »Ich habe das erst nach Joes Tod gefunden. Ich vermute, dass einer von seinen Leuten die Aufnahme gemacht hat.«
    Sie legte den Umschlag in die Schublade zurück, und als sie sich wieder gesetzt hatte, fuhr sie fort: »Ich glaube, einer der Gründe, warum Joe so gut mit Mr. Harper auskam, war wohl der, dass Joe, wenn es um anderer Leute Angelegenheiten ging, schweigen konnte wie ein Grab. Ich bin mir sicher, dass er eine ganze Menge nicht einmal mir erzählt hat.« Mit einem matten Lächeln starrte sie an die Wand.
    »Es war dann anscheinend Mr. Harper, der Ihrem Mann erzählt hatte, dass Beryls Bücher veröffentlicht wurden«, bemerkte ich.
    Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich und sah mich erstaunt an. »Wissen Sie, ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob mir Joe jemals verraten hat, woher er das so genau wusste, Dr. Scarpetta. Was für ein hübscher Name. Ist er spanisch?«
    »Italienisch.«
    »Oh! Sicher sind Sie eine gute Köchin!«
    »Ich koche ganz gern«, sagte

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