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Flucht im Mondlicht

Flucht im Mondlicht

Titel: Flucht im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. H. Senzai
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roter Haarschopf ins Auge fiel. Da war Ike, mit seinem Kumpel!
    Fadi versteckte sich schnell hinter einem Baum, als Felix mit zwei großen Eistüten in den Händen angelaufen kam. Er beobachtete die beiden Jungen und hoffte, dass sie nicht in den Park wollten. Sie standen an der Ecke und leckten an ihrem Eis, als ein schnittiger Mercedes neben ihnen bremste und im Halteverbot stehen blieb. Eine dunkelhaarige Frau in einem maßgeschneiderten schwarzen Kostüm stieg heraus. Felix wurde sichtlich nervös und warf sein Eis in die Büsche. Die Frau wedelte mit dem Zeigefinger in seine Richtung und zeigte auf ihre Armbanduhr. Ihr Haar schwang nach hinten, als sie verärgert mit dem Kopf zum Wagen deutete und wieder einstieg. Felix nickte Ike mit verkniffenem Mund zu, ging zur Beifahrertür und stieg auch ein. Dann fuhr der Wagen mit quietschenden Reifen davon und Ike schlenderte zur Bushaltestelle.
    Gut , dachte Fadi erleichtert. Sie sind weg .
    Als Fadi das Ufer des Sees erreichte, sank die Sonne bereits in das Wolkenband über dem Horizont. Der Himmel hinter den Bäumen färbte sich rosa, lila und grau. Fadi holte seinen Fotoapparat aus seinem Rucksack und entfernte den Objektivdeckel. Das war sein erster Fotoaus­flug seit Monaten. Er blickte durch den Sucher und richtete ihn auf die goldenen Hügel in der Ferne. Ein Gefühl inneren Friedens durchströmte ihn, während er mit vertrauten Handgriffen den Fotoapparat auf verschiedene Motive einstellte.
    Er drehte den Ring an der Linse, bis er eine Entenfamilie, die auf dem glitzernden Wasser schwamm, gestochen scharf im Bild hatte. Dann visierte er das letzte Küken an und drückte auf den Auslöser. Er knipste auch einen kleinen Jungen, der von seiner aufgeregten Mutter mit einem Ruck vom Seeufer weggezerrt wurde. Der Gesichtsausdruck des Kindes war zu komisch – eine Mischung aus Zorn und Erleichterung. Fadi machte einen Schwenk zum Rasen hinüber und knipste einen Hund, der einem Frisbee nachjagte. Eine hochgewachsene Afroamerikanerin in einem lindgrünen Overall joggte an ihm vorbei. Er machte Fotos von ihren hüpfenden Tennisschuhen.
    »Hi«, rief sie ihm mit einem Lächeln zu.
    Fadi errötete und richtete seinen Fotoapparat schnell woanders hin.
    Bald machte er gedankenverloren Schnappschüsse von sorglosen Kindern, die auf dem Klettergerüst herumturnten und sich auf den Schaukeln immer höher schwangen. Es war kein Film eingelegt, aber das war egal.
    Nachdem sein Vater ihm den Fotoapparat geschenkt hatte, hatte er ihm gezeigt, wie man damit umging, und ihn mit seiner Leidenschaft fürs Fotografieren angesteckt. In Kabul waren sie oft zusammen in die Berge hinauf­gefahren und hatten von oben Aufnahmen von der Stadt gemacht. Habib hatte in ihrem Haus in der Shogund-­Straße eine kleine Dunkelkammer eingerichtet, in der sie die gemeinsam aufgenommenen Filme selbst entwickelten, wenn es ihm gelang, das nötige Zubehör zu beschaffen. Aber als die Taliban an die Macht kamen und das Fotogra­fieren verboten, war es mit ihren gemeinsamen Fotoaus­flügen vorbei. Als sein Vater mit der Nachricht vom Fotografierverbot heimkam, waren seine Wangen vor Zorn gerötet. »Das sind keine wahren Muslime«, schimpfte er. »Im Islam gibt es keinen Zwang. Niemand hat das Recht, anderen vorzuschreiben, wie sie zu leben und was sie zu glauben haben.«
    Fadi seufzte. Er wünschte, sein Vater wäre bei ihm, aber zurzeit war Habib zu beschäftigt oder zu müde, um Fotoausflüge zu machen. Fadis Kopfschmerzen waren inzwischen weg. Er überlegte sich erneut, wie er genug Geld zusammenbringen könnte, um nach Pakistan zurückzufliegen. Ich habe meine Familie in diese schlimme Lage gebracht. Ich muss einen Ausweg finden.

Farben
    Es war Donnerstag, die dritte Schulstunde – Geschichte bei Mr Torres. Zum ersten Mal seit Langem war Fadi aufgeregt vor gespannter Erwartung. Als es läutete, lief er aus der Klasse und schlängelte sich durch überfüllte Flure zum großen Atelier im hinteren Teil der Schule. In der Tür blieb er stehen. Der Geruch von Farbe, Gips und Leim hing in der Luft. Farbenfrohe Gemälde und Zeichnungen zierten die Wände, und vor der Rückwand standen Ton­skulpturen. In hohen Regalen stapelten sich in ordent­lichen Reihen Farbtöpfe, Buntstifte, Zeichenpapier, Klebstoff und unzählige andere Utensilien, die Fadi nicht kannte, aber am liebsten sofort inspiziert hätte. Er holte tief Luft, trat ein und schlenderte an den Tischen vorbei, die in der Mitte des Raumes zu

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