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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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der linken Wange. Er ist zweiunddreißig Jahre alt, sehr höflich, außerordentlich intelligent und wirkt im allgemeinen liebenswürdig.«
    Bonny Lee schaltete das Gerät aus und kam kopfschüttelnd zurück. »Du bist jetzt eine Berühmtheit.« Sie strich über seine Wange. »Woher hast du die Narbe?«
    »Ein kleines Mädchen hat mir einen Stein nachgeworfen, als ich sechs war. Könntest du zehntausend Dollar brauchen?«
    »Hoffen wir, daß ich sie nie im Leben so notwendig brauche. So, und jetzt bringe ich dich zu diesem Boot, bevor man dich hier erwischt.«
    »Oder bevor ich mich nicht mehr hinauswage.«
    Er setzte den Hut und die Sonnenbrille auf und durchsuchte die Taschen seiner alten Klamotten. Er holte die goldene Uhr aus der Hosentasche. Vielen Dank für alles, Onkel Omar, dachte er.
    Der Sunbeam war schäbig, schmutzig und halb verrostet. Aber der Motor sprang sofort an, und Bonny Lee jagte den Wagen geschickt durch die engen Straßen. Es war fast neun.
    Sie erreichten das Ufer, und plötzlich schwenkte Bonny Lee ab und fuhr vorbei. Kirby sah im letzten Moment die Streifenwagen und die Polizisten, die am Dock warteten. Sie fuhr um die nächste Ecke und hielt an einem schmalen Parkplatz an.
    »Ich schließe die Tür ab«, sagte sie.
    »Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.«
    »Bleib sitzen und warte, bis ich zurückkomme. Wie heißt das Boot?«
    »Glorianna.«
    Sie fand eine Zeitung unter dem Sitz und reichte sie ihm. »Da – versteck dich dahinter. Ich bin gleich wieder zurück.«
    Sie war fünfzehn unerträgliche Minuten lang verschwunden. Dann schloß sie den Wagen auf, setzte sich hinter das Steuerrad und fuhr nach Westen. Bei einer Einkaufszentrale blieb sie stehen.
    »Hat eine Zeitlang gedauert, bis ich einen Polizisten fand, der sich vor mir großtun wollte. Also – die Glorianna ist vor zwanzig Minuten ausgelaufen, und die Bullen kamen zehn Minuten zu spät. Offenbar hat man herausgefunden, daß deine Sachen von so einem Bumshotel weggebracht und auf das Boot geschafft wurden. Sie denken, daß du an Bord bist – mitsamt deinen Millionen. Die Küstenwache ist schon hinter dem Kahn her. Was hast du nun wirklich an Bord geschafft, Liebling?«
    »Persönliches Zeug. Gesamtwert vielleicht zweihundert Dollar. Sogar Schlittschuhe sind dabei.«
    Sie sah ihn verblüfft an. »Schlittschuhe!«
    »Jetzt weiß ich nicht mehr, wohin ich gehen soll, Bonny Lee.«
    »Ehrlich gesagt, allmählich interessiert mich die Geschichte von Anfang an. Sollen wir zurück zu Bernies Wohnung?«
    »Lieber nicht.«
    »Wir brauchen einen Platz, wo wir uns unterhalten können. Und zuallerletzt werden sie dich an einem öffentlichen Strand suchen.«
    »Gut, Bonny Lee.«
    Der Lärm ihres Wagens schnitt die weitere Unterhaltung ab. Sie fuhr zum Strand. Gegen zehn saßen sie auf einer Betonbank in einem kleinen offenen Pavillon und sahen auf die blauen Wogen des Atlantiks hinaus. Obwohl es ein Dienstagmorgen im April war, lagen Hunderte im Sand. Kirby war schon wieder deprimiert.
    »So, nun erzählst du mir alles, Freund, und dann können wir gemeinsam überlegen.«
    Er schnurrte die Fakten herunter, farblos und ohne Hoffnung. Je weiter er kam, desto entmutigter wurde er. Er begann bei der ersten Konferenz nach dem Tode von Onkel Omar und hörte bei Josephs Anruf auf.
    Dann starrte er sie müde an. »Glaubst du, daß ich das der Polizei erklären könnte?«
    »Kein altes Aas würde dir glauben. Verdammt, Kirby, sie würden nachprüfen, ob du Hasch genommen hast.«
    »Glaubst du mir?«
    »Ich liebe dich, vergiß das nicht. Aber es ist schon verflixt schwer für einen Außenstehenden. Und diese Charla – verrückter Name übrigens. Aber wenn sie jetzt mit dem anderen Mädchen – mit Betsy – an Bord ist, sitzt sie ebenso in der Klemme wie du.«
    »Das bezweifle ich.«
    Er nahm Onkel Omars goldene Uhr aus der Tasche und spielte geistesabwesend damit herum. Er zog sie auf und stellte sie nach seiner Armbanduhr. Sie hatte einen Stunden-, einen Minuten- und einen Sekundenzeiger. Aber es war noch ein vierter Zeiger da, der reglos auf zwölf deutete. Er war nicht aus Gold wie die drei andern, sondern aus Silber. Kirby fragte sich, welchen Zweck er wohl erfüllen mochte. Und dann entdeckte er, daß sich der Zeiger bewegen ließ, wenn man das Rädchen zum Aufziehen nach innen drückte und dann verstellte.
    Im gleichen Augenblick, in dem er es tat, wurde die Welt still. Seine Sicht trübte sich. Sein erster Gedanke war, daß er einen

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