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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Gegenstand in der »echten« Welt hatte.
    Plötzlich wußte er, weshalb Onkel Omar so gut in Zaubertricks gewesen war. Er konnte sich den plumpen, nervösen kleinen Hochschullehrer vorstellen, wie er mit seinem schäbigen Anzug am grünen Tisch saß und von der roten Welt aus den Würfel zur richtigen Nummer hinlenkte. Wenn er sich in die echte Welt zurückkatapultierte, war der Würfel immer noch nicht an seinem Ziel angekommen.
    Und ihm war klar, woher das andere Geld kam, und weshalb Onkel Omar soviel davon ausgegeben hatte. Er wußte, daß er sein Erbe erhalten hatte. Die Fragmente fügten sich zu einem Bild zusammen. Er konnte Onkel Omars Beherrschung und Vorsicht nur bewundern.
    Er berührte die Wange des Mädchens mit den Fingerspitzen. Die Haut fühlte sich weder warm noch kalt an. Fast hatte er den Eindruck, daß sie aus Plastik bestand. Die hellen Locken waren wie Eisendraht. Als er sie nach hinten strich, blieben sie in dieser Lage.
    Er durfte nicht den Fehler begehen anzunehmen, daß sich die echte Welt verändert hatte. Jetzt erst merkte er, weshalb Onkel Omar ihn dazu gezwungen hatte, Vorlesungen über Logik zu hören. Bonny Lee befand sich in der »echten« Welt. In ihren Augen war er nichts anderes als eine Bewegung, die sich zu schnell für ihre Retina abspielte.
    Und er erkannte eine der Hauptregeln, die er ab jetzt beachten mußte. Er mußte genau da in die echte Welt zurückkehren, wo er sie verlassen hatte. Sonst brachte er die anderen Menschen noch zum Wahnsinn. Trotz aller Vorsicht hatte man Omar Krepps für einen Sonderling und Exzentriker gehalten. Vielleicht war er von Zeit zu Zeit zu leichtsinnig gewesen. Nun wußte er auch, weshalb Charla und Joseph einen Heidenrespekt vor Onkel Omar gehabt hatten. Bei internationalen Finanzbetrügereien mußte die goldene Uhr Onkel Omar einen unüberwindlichen Vorteil einräumen.
    Und diesen Vorteil hatten sie gewollt, ohne genau sagen zu können, worin er bestand! Es lief ihm kalt über den Rücken, wenn er daran dachte, was Charla mit dieser Uhr anfangen würde.
    Noch zehn Minuten. Er beschloß, den Zeiger weiterlaufen zu lassen und abzuwarten, ob das Ergebnis das gleiche war. Er wollte ein Stück gehen, aber seine Schuhe waren so schwer, daß er nicht vorankam. Er zog sie aus. Einer schwebte in der Luft, und er wollte ihn zu Boden stoßen. Dann merkte er, daß es gleichgültig war. Sobald er in die echte Zeit zurückkehrte, fiel der Schuh automatisch in den Sand. Er ging ins Wasser. Runde Tropfen hingen in der Luft, und sein Fuß hinterließ einen tiefen Eindruck.
    Fünf Minuten.
    Er ging durch die Menge. Ein Mädchen fütterte die Möwen. Die Körner hingen dicht neben ihren Fingern, und die Tiere schwebten ein paar Schritte von ihr entfernt. Ein dicker Junge mit wutverzerrtem Gesicht hatte eine Schaufel nach dem Mädchen geworfen, und das Blechding hing reglos in der Luft. Kirby lenkte es in eine Richtung, wo es keinen Schaden anrichten konnte. Dann nahm er eine der Möwen und steckte sie dem boshaften Knirps unter das Strandhemd.
    Zwei Minuten.
    Er ging zurück zum Pavillon. Er zog die Schuhe an und setzte sich in die gleiche Stellung wie vorher. Mit einem Grinsen holte er eine Zigarette heraus und steckte sie Bonny Lee zwischen die Lippen. Der Silberzeiger rückte auf zwölf zu ...
    Helles Vormittagslicht übergoß die Szene.
    Bonny Lee zuckte zusammen und nahm die Zigarette aus dem Mund. »Verdammt!« sagte sie.
    »Ein Trick, den mein Onkel mir beigebracht hat«, meinte er lachend. Er drehte sich um und sah zum Strand. Möwen fraßen Körner. Eine Sandschaufel landete harmlos am Boden. Ein dicker Junge lief kreischend davon, und eine Möwe arbeitete sich kreischend aus seinem Hemd. Die Fußspuren im Sand und im Wasser waren verschwunden.
    Bonny Lee wirkte kühl. »Tricks sind ja schön und gut, Kirby, aber bei mir ziehen sie nicht. Mir lief es ganz kalt über den Rücken.«
    Er setzte sich neben sie auf die Betonbank. »Es tut mir leid, Bonny Lee.«
    »Also, ehrlich, Kirby, erst tust du, als würde die Welt untergehen, dann lachst du wie ein Verrückter, und schließlich führst du mir unheimliche Tricks vor. Ich dachte, ich würde dich kennen ...«
    »Etwas sehr Wichtiges ist plötzlich geschehen, Bonny Lee.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich möchte ein – Experiment machen. Sieh genau diesen Fleck auf der Bank zwischen uns an. Ganz genau. Dann sagst du mir, was passiert und wie du dich dabei fühlst.«
    »Weißt du, Liebling, allmählich

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