Flucht ins All - Band 1 (Terra 5500 - Rebellen der Galaxis) (German Edition)
dann anzuschließen hatte. Jedem der zwölf Fluchtduos waren drei Kugler zugeordnet, Kommunikatoren. Die gekaperten Roboter hatten den Auftrag ihrerseits die Bordhirne der Frachter zu kapern. Und wer das Innere eines Frachters erreichte, wusste genau, in welcher Ebene der Kommandozentrale sein Platz war. Venus musste irgendwie Ebene I erreichen, Plutejo Ebene II.
„Eine Minute.“
Mütter, Großmütter und Großväter gingen noch einmal zu ihren Kindern und Enkelkindern, um während der letzten Sekunden deren Hände festzuhalten.
„Dreiundfünfzig Sekunden, zweiundfünfzig, einundfünfzig...“
Sehr still wurde es auf einmal. Alle warteten, alle schwiegen. Die sanfte Stimme des Primkommunikators und das Rauschen des Empfängers klangen plötzlich so fern, als stammten sie aus einer anderen Welt. Venus glaubte ihren Herzschlag von den Höhlenwänden widerhallen zu hören.
„...einundvierzig, vierzig, neununddreißig, achtunddreißig...“
Jahrzehnte später noch, im Rückblick, erinnerte sie diese Sekunden als einen einzigen, riesengroßen Augenblick – prallvoll von Schicksal und Liebe – in dem der Pulsschlag des Lebens so überdeutlich zu spüren war, dass der Tod ihnen allen unerheblich erschien, und das Leid, das vor ihnen lag, lächerlich.
„...fünfundzwanzig, vierundzwanzig, dreiundzwanzig...“
Auf dem Kugelmonitor sah man jetzt einen Container nach dem anderen in den Frachtlift schweben. Die eingetauschte Ware für die Überlebenden und Zurückbleibenden war vorläufig gesichert.
„...dreizehn, zwölf, elf...“
Venus’ Vater ließ die Hand ihrer Großmutter los und trat bis auf drei Schritte an den Kugelmonitor heran. Venus’ Mutter legte die Rechte auf ihren Mund, Venus selbst hielt den Atem an.
„...fünf, vier, drei, zwei, eins. Autoeliminierung vollzogen.“
Alle starrten sie in den Monitor. Zwei Omega-Raumer sahen sie vollständig darin, vom dritten nur den rechten Schenkel und das rechte Triebwerk. Lange Sekunden geschah weiter nichts, als dass der mittlere Raumer seine Frachtlifte einzuziehen begann. Doch kaum lösten die sich vom Eis, verfärbte sich der Schiffsrumpf in der Biegung rechts von der Zentralkuppel: Das stumpfe Schwarz schimmerte plötzlich rötlich an dieser Stelle, eine schwarze Dampfwolke stieg auf, die Stelle färbte sich orange und platzte schließlich auf. Eine gelbrote Lohe schoss aus dem Schiffsrumpf, und schon im nächsten Moment brach er an der brennenden Stelle ein – durch das Gewicht des Triebwerks gezogen kippte der abgetrennte Schiffsschenkel nach hinten weg und riss den hinteren Querholm mit dem Maschinen- und Waffenleitstand ab. Der restliche Rumpf neigte sich nach rechts. Das rechte Triebwerk explodierte, Sekunden später brannte das gesamte Omega-Schiff.
Stöhnen, Seufzen, Stoßgebete und Schreckensrufe erfüllten die Höhle. „Vollzugsmeldung von den anderen Schächten“, säuselte die Stimme des Primkommunikator aus dem Empfänger. „Fünfmal positiv.“ Wie unwirklich die Stimme, wie einschläfernd der Tonfall! „Die Verbindung steht. Sprechen Sie bitte jetzt, General Tellim.“
„Hier spricht der Vorsitzende des Freiheitsrates von Genna!“ Jemand hielt Venus’ Vater ein antikes Mikrophon unter die Lippen. „Ich will den Kommandanten des Flottenverbandes sprechen!“
Sekundenlanges Schweigen. Dann eine Männerstimme: „Wer sind Sie?“
„General Uran Tigern! Sechs ihrer Schiffe sind explodiert! Das nächste wird gesprengt, sobald einer ihrer Frachter versucht seine Teleskoplifte einzuziehen...!“
„General?! Das ich nicht lache!“ Die Männerstimme vibrierte vor Hass und Bitterkeit. „Sie waren mal Primoberst, Sie verfluchter Spinner! Und jetzt sind Sie ein zum Nichts degradiertes Stück Scheiße...!“
„Hören Sie unser Ultimatum!“ Venus erschrak vor der harten Stimme ihres Vaters. Sie konnte ihn nicht mehr sehen, denn der Kommandostab des Freiheitsrates umringte ihn. „In genau drei Minuten haben wir Ihre Kapitulation, oder der nächste Frachter geht in Flammen auf!“
„Verdammt, Tigern, Sie Wahnsinniger! Das Schmelzwasser wird Ihre Schächte fluten!“
Das stimmte nicht – das gekaperte Bergwerkshirn hatte die Menge des durch die Explosionen der Frachter schmelzenden Wassers exakt berechnet. Es würde ziemlich nass werden, bevor das nicht verdampfte Wasser wieder gefror, sonst nichts. Auch die Zeit, welche die restlichen zwölf Frachterbesatzungen benötigen würden, um ihre Schiffe nach Bomben zu durchsuchen,
Weitere Kostenlose Bücher