Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
bist. Ich hätte dich am liebsten sofort geholt. Mr. McHatton vertrat jedoch die Meinung, daß die beste Gelegenheit, dich aus der Anstalt zu befreien, der Weihnachtsfeiertag sei. Womit er Recht hatte, da an diesem Tag die Kirche und das Haus voller Besucher sind. Ich mußte nur mit den anderen den Gottesdienst besuchen und dir danach heimlich zu deinem Zimmer folgen. Nachdem ich herausgefunden hatte, wo du untergebracht bist, versteckte ich mich in einer leeren Kammer."
"Wenn man dich erwischt hätte, wärst du für Jahre eingesperrt worden", meinte die junge Frau. Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch. "Spürst du unser Kind?"
Joshua nickte beglückt. "Ich hätte vorsichtiger sein müssen. Ich habe dir nur Leid zugefügt, Darling."
"Wir sind zusammen. Alles andere sollten wir vergessen." Sie schmiegte sich an ihn. "Was ist mit deinen Eltern?" fragte sie nach einer Weile.
"Sie sind seit zehn Tagen in Schottland. Mr. Hatton hat sie aus dem Armenhaus, in das sie gebracht wurden, freigekauft." Joshuas Gesicht verzog sich vor Zorn. "Mein Vater mußte im Bergwerk schuften, meine Mutter in der Wäscherei. Meine Mutter wird lange brauchen, bis sie sich davon erholt hat."
"Werden sie mich und unser Kind überhaupt lieben können nach allem, was mein Vater ihnen angetan hat? Sie haben den Ashburns stets treu gedient, sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Ich kann meinen Vater nicht verstehen."
"Sie lieben dich und sie freuen sich auf unser Kind", versicherte Joshua. "Viel mehr Sorgen mache ich mir um dich, mein Darling. Du bist im Luxus groß geworden, stets von dienstbaren Geistern umgeben, in Schottland erwartet dich ein anderes Leben. Wenn wir verheiratet sind, erhalten wir von Mr. McHatton ein kleines Cottage auf seinem Besitz. Das wird unser neues Zuhause sein."
"Ich werde überall glücklich sein, wo du bist, Joshua", versprach Ellen. "Mach dir deshalb keine Sorgen."
Joshua beugte sich über sie und küßte sie mit einer Inbrunst, die sie vergessen ließ, daß sie sich noch in Cornwall befanden und längst nicht außer Gefahr waren.
* * *
In den Tälern und Höhen des Highlands lag tiefer Schnee. Der von zwei Pferden gezogene Schlitten des Pfarrers, der aus der nächsten Ortschaft nach Hatton House kam, hatte Mühe, die letzte Steigung zu nehmen. So gern Ellen und Joshua auch im Frühling geheiratet hätten, wenn die Hänge voller wilder Blumen standen, um ihres ungeborenen Kindes wegen hatten sie nicht warten können.
Bereits am frühen Morgen war Ellen, die vier Wochen auf Kinnon Castle, den Besitz ihrer Verwandten verbracht hatte, von den Klängen der Dudelsackpfeifer geweckt worden, die ihr ein Ständchen brachten. Die Dudelsackpfeifer hatten sie auch auf der Schlittenfahrt nach Hatton House begleitet.
Am Arm von Laird McKinnon, Marys Gatten, betrat sie unter den Klängen eines Dudelsacks die kleine Kapelle. Fleißige Hände hatten die Kapelle am Vortag mit grünen Zweigen und bunten Bändern geschmückt. Sie trug ein einfaches Kleid, das so geschickt genäht worden war, daß es ihre Schwangerschaft fast verbarg. Der Schleier, der über ihren Haaren lag, wurde von einem Mispelkranz gehalten, den die beiden jüngsten Kinder der McKinnons angefertigt hatten.
Mr. McHatton wartete mit Joshua vor dem Altar. Sie hatten ihn und Marc McKinnon gebeten, ihre Trauzeugen zu sein. Beide waren nur zu gern dazu bereitgewesen.
Joshua blickte sie an. Seine Augen spiegelten die Freude wider, die sie beide empfanden. Hand in Hand traten sie vor den Pfarrer, der geflissentlich darüber hinwegsah, daß sie ein Kind erwartete.
Ellen glaubte noch nie in ihrem Leben so glücklich gewesen zu sein. Sie und Joshua würden es niemals bereuen, sich das Jawort gegeben zu haben, da war sie sich sicher. Die junge Frau vermißte ihre Eltern nicht. Sie hatten sie nie geliebt. Und sie vermißte auch ihre Brüder nicht, da sie weder Pieter, noch Arthur oder Simon richtig gekannt hatte. Einzig und allein ihre Großmutter fehlte ihr. Vor wenigen Tagen hatte sie erfahren, daß Lady Georgina über Nacht diese Welt verlassen hatte.
Ich wünschte, du könntest bei mir sein, Großmama, dachte sie, als sie und Joshua die Ringe tauschten.
"Ich bin bei dir, Ellen", glaubte sie die Stimme ihrer Großmutter zu hören und für den Bruchteil einer Sekunde spürte sie einen zarten Hauch, der über ihr Gesicht glitt.
"Für immer und ewig", flüsterte ihr Joshua zu, nachdem er sie geküßt hatte.
"Für immer und ewig", wiederholte
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