Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
gerade vorgefahren, Lady Ellen", sagte es. "Der Kutscher wird in der Küche versorgt. Mrs. Morford bittet Sie herunterzukommen."
"Danke, Nelli, wir kommen sofort", sagte Ellen.
Das Mädchen knickste erneut und verließ das Zimmer.
"Dann wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben, als Abschied zu nehmen." Lady Ellen schlüpfte in einen leichten Sommermantel, setzte ihren Hut auf und griff nach den Handschuhen, die ihr Damaris reichte.
"Deine Tasche nehme ich", sagte Damaris. "Ich habe übrigens auch etwas für dich." Sie reichte ihr ein schmales Päckchen. "Erst öffnen, wenn du in der Kutsche sitzt."
Ellen strich über das glatte Papier des Päckchens, bevor sie es in ihre Tasche steckte. Ein letztes Mal sah sie sich in dem Zimmer um. Erneut traten Tränen in ihre Augen. Wenn sie Silbury Castle erst einmal hinter sich gelassen hatte, würde nichts mehr so sein wie es gewesen war.
Hintereinander stiegen sie die Treppe zur großen Halle von Silbury Castle hinunter, wo sich Ellens Mitschülerinnen und die Lehrerinnen unter Leitung von i
Mrs. Emily Morford versammelt hatten, um von ihr Abschied zu nehmen. Ellen zwang sich, ein fröhliches Gesicht zu zeigen. Immerhin hatte ihnen Mrs. Morford beigebracht, in allen Situationen Haltung zu bewahren.
Die Mädchen hatten kleine Geschenke für sie, die sie in den vergangenen Wochen selbst angefertigt hatten. Sie überreichten sie Ellen in einem mit Blumen und bunten Bändern geschmückten Korb.
Die Köchin kam für wenige Minuten in die Halle und gab ihr eine Schachtel mit Ingwergebäck. "Für die Reise, Lady Ellen", murmelte sie und versuchte, ihre Tränen zu verbergen. Hastig kehrte sie in die Küche zurück.
Ellen Ashburn reichte der Internatsleiterin die Hand. "Danke für die schöne Zeit, die ich auf Silbury Castle verbringen durfte, Mrs. Morford", sagte sie. "Ich bin sehr gern hier gewesen."
"Sie stehen meinen Herzen sehr nahe, Lady Ellen", antwortete Emily Morford. "Ich wünsche Ihnen viel, viel Glück. Vergessen Sie uns nicht. Wir würden uns über einen Brief von Zeit zu Zeit freuen."
"Ich werde ganz bestimmt schreiben, Mrs. Morford", versprach Ellen und nahm auch von den anderen Lehrerinnen Abschied.
Will Gibson, ein untersetzter, ziemlich mürrischer Mann kam aus der Küche. Unterwürfig begrüßte er Lady Ellen, bevor er zwei ihrer Koffer ergriff und zur Kutsche trug. Der Hausbursche folgte ihm mit dem übrigen Gepäck.
Ellen atmete tief durch, dann verließ sie im Kreis ihrer Mitschülerinnen die Halle und stieg langsam die Treppe hinunter. Die von zwei Schimmeln gezogene Kutsche erschien ihr wie der Wagen, der Verbrecher ins Zuchthaus brachte. Und genauso kam sie sich vor, nur, daß sie nicht wußte, welchen Verbrechens sie sich schuldig gemacht hatte.
Damaris umarmte sie erneut. "Schreib mir gleich, wenn du zu Hause angekommen bist", bat sie. "Ich vermisse dich schon jetzt."
Ellen stieg in die Kutsche. Ein letztes Mal winkte sie, bevor Will Gibson die Tür zuschlug. Er stieg auf den Bock und ergriff die Zügel. Noch ehe sie sich versah, fuhr die Kutsche bereits an. Sie wurde heftig gegen die Rückwand gedrückt.
Innerhalb weniger Minuten lagen Silbury Castle und der Park hinter ihr. Ellen konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Sie war froh, daß sie allein in der Kutsche saß und ihre Mutter nicht Miss Cooper nach Silbury Castle geschickt hatte, um sie abzuholen, wie sie es früher getan hatte. Vermutlich hatte sie nicht auf ihre Gesellschafterin verzichten können.
Ellen hatte noch nie etwas für diese Frau übriggehabt. Abigail Cooper, die Tochter eines verarmten Barons, gehörte ihrer Meinung nach zu den intrigantesten Personen, die sie sich vorstellen konnte. Meistens schlich sie wie ein Schatten durch Rowland Manor, belauerte und bespitzelte jeden, um ihr Wissen bei passender Gelegenheit preiszugeben. Kurz vor Weihnachten war eines der Hausmädchen vor die Tür gesetzt worden, weil Miss Cooper es dabei beobachtet hatte, wie es beim Abräumen zwei Stück Früchtekuchen gestohlen hatte, um sie seiner Mutter ins Dorf zu bringen. Ihr Vater, Sir Henry Ashburn, Duke of Rowland, kannte in diesen Dingen keine Gnade. Er regierte über seine Familie und Rowland mit seinen Ländereien und Dörfern mit harter Hand.
Sie fuhren den ganzen Tag, hielten nur zweimal zu einer kurzen Rast an. Lady Ellen wurde es schon bald leid, aus dem Fenster zu schauen. So gern sie geschrieben hätte, das Schaukeln des Wagens hinderte sie daran. So vertrieb sie
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