Flucht nach Avalon
»Als die Sonne die Dunkelheit vertrieb, wußte ich, daß wir gewonnen haben.«
»Leider hat es trotzdem Opfer gegeben. Dieser verfluchte Ritter ist ein Killer.«
»Das weiß ich leider.«
»Aber ich weiß nicht, wer er ist. Ich weiß nicht einmal, wieso sich die Rüstung bewegen konnte, wenn nichts in ihr steckte. Das, Nadine, ist mein Problem.«
Sie strich mit einer weichen Bewegung ihre Haare zurück. »Problem?« wiederholte sie.
»Natürlich.«
»Mag sein, für mich ist es das nicht.«
»Dann bitte gib mir eine Erklärung.«
Sie schaute mich lange an. Ich hatte den Eindruck, als wollte sie nicht so recht oder würde es ihr schwerfallen, die richtigen Worte zu finden. »Die Erklärung ist nicht einfach, John, das mußt du mir glauben. Ich könnte jetzt sehr weit ausholen und dir mehr von den Geheimnissen dieses Kontinents erzählen. Ich könnte davon sprechen, daß es Verbindungen gibt zwischen Avalon, der Artus-Saga und dem ebenso sagenumwobenen Atlantis. Das alles existiert. Ich sage dir auch gleichzeitig, daß die Zeit noch nicht reif für derartige Dinge ist. Du wirst dieses Puzzle schon zusammensetzen, da brauchst du keine Sorgen zu haben. Wichtig im Moment ist dieser Ritter, nein, die Rüstung.«
»Moment mal, Nadine. Wie war das mit Atlantis?«
»Nicht jetzt, bitte. Denke daran, daß Glastonbury das englische Jerusalem genannt wird. Im echten Jerusalem haben sich drei Kulturen getroffen, und hier ist es ähnlich. Wichtig ist jetzt der Ritter, der seine Schicht verlassen hat.«
»Lieber die Rüstung. Das kommt der Sache näher.«
»Gut, auch das. Ich möchte dir sagen, daß sie nicht leer ist, wie du gemeint hast.«
»Ach ja?«
»Sein Geist steckt darin.«
»Der Geist eines Ritters. Ich dachte an die Szene, die ich gesehen hatte, als ich die Symbole bewegte.«
»Nein, es ist kein Ritter. Es ist ein Mönch gewesen. In sehr alter Zeit lebten hier Mönche.«
»In Avalon?«
»Nein, in Glastonbury. Sie waren es, die diese Gegend kultivierten, doch vor ihnen hat es noch andere Völker gegeben, und davon wieder welche, bis hin zu den Riesen, wie die Legenden erzählen. Aber kommen wir auf die Mönche zurück. Sie spürten etwas von den Hinterlassenschaften der alten Völker, sie wußten Bescheid, sie forschten nach, und sie erkannten, daß alles noch vorhanden war. Wenn auch in anderer Form. Aber die Gedanken, die Richtlinien, die existierten. Und es existierte das Gute sowie das Böse.«
»Dann haben sich die Mönche auf die andere Seite gestellt?«
»Nur ein Abt. Er diente den keltischen Götzen, und er hat immer versucht, die Insel Avalon zu finden, die schon längst verschwunden war. Er ging davon aus, daß sie im Meer lag, daß die Nebel sie verbargen und sie nur preisgaben, wenn sie hin und wieder aufrissen. Er suchte den Weg über die Macht der finsteren Keltengötter. Sie nahmen ihm den Körper, sie ließen ihn als Geist zurück, und er durfte sich etwas aussuchen, in dem er sich wohl fühlte.«
»Die Rüstung, nehme ich an.«
»Genau sie war es. Sie wurde durch seinen Geist gefüllt. Er ist es gewesen, der sie bewegte, und sein Geist hat die Zeiten überdauert.«
»Wo lebt er?«
Nadine Berger hob die Schultern und lächelte etwas verlegen.
»Ich könnte dir weiterhin von den Schichten erzählen. Du würdest ihn dort finden.«
»Dazu müßte ich erst einmal hingelangen.«
»Das wäre durch den Dunklen Gral möglich. Aber es ist gefährlich. Du könntest abirren, und deshalb habe ich einen anderen Plan gefaßt, um ihn zu stellen. Er ist mir auch in den letzten Minuten eingefallen und nur, weil ich das da sah.« Sie streckte den Arm aus und deutete auf den verbeulten Helm.
»Wirklich?«
»Ja, dieser Abt will ihn zurückhaben, davon gehe ich aus. Er braucht ihn, und deshalb brauchst du ihn nicht zu suchen. Er wird dich suchen und dich finden.«
Eine steile Falte bildete sich auf meiner Stirn. Bei mir ein Zeichen des Mißtrauens. »Bist du dir da ganz sicher?«
»Völlig.«
»Schön, dann ist alles klar. Ich werde eben hier auf unseren Freund warten.«
»Nein, um Himmels willen, nicht hier. Nicht auf dieser wunderschönen Insel.«
Ich verdrehte die Augen. »Jetzt machst du mich halb verrückt. Wo soll ich denn hin?«
»Zurück in deine Welt.«
»Nach Glastonbury oder nach London?«
»Nein, nein, John, nach Glastonbury. Daher kommt er, den Weg kennt er. Du hast ja das Einhorn erlebt, das er euch geschickt hat. Er ist bereits über dich informiert gewesen. Wenn er den Helm
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