Flucht nach Avalon
Gefühl, nicht mehr allein zu reagieren. Andere Kräfte führten meine Finger.
Und der Gral strahlte auf.
Nein, nicht nur er. Auch die Kugel sandte ihr rotes Licht ab, in das sich ein goldener Schein mischte, wobei sich beide Farben zu einer großen Decke vereinigten, die über mir schwebte, als wollte siei mich schützen.
Licht gegen das Böse.
Der Ritter fiel zusammen mit seiner mörderischen Waffe genau in diese Decke hinein.
Ich hörte ihn nicht schreien, aber ich sah, wie mächtig diese Decke war, denn sie schaffte es, den Unhold in seiner Rüstung zu zerreißen. Sie verbrannte sie lautlos, sie zerstörte den Geist, die Symbole hatten sich genau richtig verschoben, denn sie sorgten dafür, daß dieser mörderische Fluch aus alter Zeit vernichtet wurde.
Es war ein fast irrsinniges Bild. Eigentlich hätten die Reste auf mich niederfallen müssen.
Statt dessen blieben sie innerhalb der Lichtglocke, wo sich auch andere Kräfte ausbreiteten und damit begannen, sie zu packen. Sie schleuderten sie herum, sie gerieten in einen kreisenden Wirbel, ich hörte ein Heulen und stellte mir vor, daß es ein böser Geist war, der seine Angst vor der endgültigen Vernichtung herausschrie.
Ich war einen kleinen Schritt zurückgegangen, stützte mich mit dem Rücken ab und schaute dem Vorgang zu.
Die Kräfte des Grals waren stark, zu stark für einen Geist aus alter Zeit.
Das Ältere besiegte das Jüngere, und plötzlich war der Teppich aus Licht verschwunden.
Ich stand allein in der Grube.
Ich strich über die goldene Außenhaut des Kelchs.
Keine erhabenen Symbole oder Zeichen mehr. Die äußere Wandlung war beinahe glatt.
Geschafft. Tief atmete ich durch. Und ich dachte dabei an die Frau, die mir den Weg gewiesen hatte, an Nadine Berger…
Müde und erschöpft kletterte ich aus dem Graben. Ich hatte Hände und Füße zu Hilfe nehmen müssen, war verdreckt, aber es ging mir besser, wenn auch nicht gut.
Zu grausam war dieser Fall gewesen. Er hatte einfach zu viele Opfer gekostet, und er hatte einen Bogen gespannt, der vom Weißen Haus in Washington bis nach Avalon reichte.
Ein kaum zu fassendes Phänomen.
Mit müden Schritten ging ich den Weg zurück. Es würde bald dunkel werden, dann aber wollte ich Glastonbury verlassen haben. Ich mußte noch die Kollegen verständigen. Sie würden von Bradford oder Bath kommen und die Untersuchungen aufnehmen.
Der Rover brachte mich wieder zurück in die einsame Stadt. Als ich vor dem Gasthof hielt und ausstieg, läuteten plötzlich die Glocken der Kathedrale.
Ein Schauer wehte mir über den Rücken. Ich warf die Wagentür zu, betrat das Gasthaus und machte mich auf den schrecklichen Anblick gefaßt.
Ich sah weder die tote Alva noch den Schädel des Kilian Versy auf ihren Beinen liegen.
Dafür saß der Pfarrer mutterseelenallein an einem Tisch und schaute mich an.
»Sie haben es geschafft, nicht?«
Ich nickte, war überrascht und verwirrt.
»Danke«, sagte er.
»Was ist mit den Toten?«
Er hob die Schultern. »Ich möchte Ihnen eine Antwort geben, die sich wie ein Gleichnis anhört, jedoch Realität ist. Die Wege des Herrn sind oft rätselhaft. In diesem Fall schickte er einen Engel, der die Spuren verwischte. Niemand wird hier in Glastonbury etwas zu reden haben. Man wird Alva vermissen, es aber hinnehmen.«
»Engel, sagen Sie?«
»Oder seinen Boten.«
»Wie sah er denn aus?« Er beschrieb ihn mir.
Ich wußte schon nach den ersten Worten Bescheid. Nadine hatte die Nebelinsel verlassen und die Leichen geholt. Sie würden in Avalon ihre Gräberfinden, wahrscheinlich auch Kilian Versy.
»Werden Sie als Polizist jetzt etwas unternehmen?« fragte der Pfarrer mit besorgt klingender Stimme.
Ich dachte kurz nach. »Nein, Hochwürden, es ist schon gut so. Ich regle es so.«
»Es wird am besten sein.«
»Eine Frage habe ich noch. Weshalb läuten um diese ungewöhnliche Zeit die Glocken?«
»Ich habe dem Küster gesagt, daß das Gute über das Böse gesiegt hat. Ist das nicht Grund genug?«
»Ja, das ist es.«
Wenig später saß ich wieder in meinem Rover. Gedankenschwer, melancholisch. Ich würde Glastonbury verlassen, aber ich wußte, daß mich dieser Ort auch weiterhin in seinen Bann ziehen würde. Hier war das Tor zu Avalon, zu den Rätseln der Geschichte und der Durchlaß zu den uralten Mythen. Wenig hatte ich erfahren, zu viele Rätsel standen noch offen. Merlin, die Artus-Sage, die Verbindung Avalon zu Atlantis, die Zeit der Riesen…
Das alles lag in der
Weitere Kostenlose Bücher