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Flucht nach Colorado

Flucht nach Colorado

Titel: Flucht nach Colorado Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Miles
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wenig Halt boten und überhaupt keinen Schutz gegen die Steine, über die er permanent stolperte. Aber etwas anderes bereitete ihm viel größere Sorgen.
    Er hatte keine Jacke dabei.
    Obwohl Emily geradezu in einem Lagerhaus für Campingartikel lebte, in dem es sogar zwei Schlafsäcke gab, hatte sie keinen Parka in seiner Größe gehabt. Sobald die Nacht hereinbrach, würde es verdammt frostig werden. Bei Gott, er hasste diese Berge. Das Klima war einfach zu kalt und rau, viel zu ungastlich für normale Menschen. Schroffe Landschaften hatten ihm noch nie sonderlich gefallen. Die spitzen, gezackten Felsen kamen ihm wie Zähne vor, die nur darauf warteten, sich in sein Fleisch zu graben.
    Er stolperte erneut und starrte auf die trockenen Kiefernnadeln unter seinen Füßen. Im Herbst gab es in diesen Wäldern nicht viel Grün zu sehen, und schon gar nicht das strahlende tropische Grün, das er aus Florida gewöhnt war. Colorados Palette rangierte zwischen dem Khaki der Kiefern und dem Graubraun der Fichten.
    Am Ziehen des Seils erkannte er, dass es wieder bergauf ging. Er warf einen Blick auf Emily. Da sie vor ihm ging, hätte er eigentlich genügend Gelegenheit haben sollen, den Sitz ihrer engen Jeans zu bewundern, aber selbst diese Ablenkung war ihm nicht vergönnt. Von hinten sah sie nur aus wie ein großer roter Rucksack mit Beinen.
    Endlich erreichten sie einen Bergrücken. Weiter hinauf ging es nicht. Endlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als nach unten zu marschieren.
    Die ersten Schritte waren herrlich. Da nun völlig andere Muskelgruppen beansprucht wurden, fühlte Jordan sich sofort erfrischt. Aber kaum waren sie ein paar hundert Meter gelaufen und in einen Espenwald eingebogen, fühlten sich seine Beine wie aus Gummi an. Er konnte seinen Bewegungsapparat kaum noch kontrollieren. Der Abstand zwischen ihnen wurde kürzer. Er war nur noch eine Armlänge von ihrem Rucksack entfernt.
    Dann blieb Emily völlig unerwartet stehen.
    „Nein!" Es gelang ihm nur knapp, ihr auszuweichen. Anhalten hingegen konnte er nicht.
    Sein Gleichgewichtsgefühl hatte ihn verlassen. Schwankend krachte er gegen einen schlanken weißen Baumstamm. Das Seil spannte sich, und Jordan fiel flach auf den Rücken.
    Emily taumelte hinter ihm her. Mit einer unglaublichen Körperbeherrschung gelang es ihr jedoch, irgendwie auf den Füßen zu bleiben.
    Ein wenig erschrocken und völlig erschöpft starrte Jordan nach oben in die Wipfel der Espen. Seine Verletzungen pochten schmerzhaft, aber er zwang sich, die unangenehmen Empfindungen zu ignorieren. In dem bleichen Licht der Dämmerung schien sich die Luft golden zu färben. Eine schwache Brise brachte die Blätter leicht zum Zittern und ließ sie wie einen Schauer aus schwerelosen goldenen Münzen wirken. Benommen sagte er: „Ist das schön!"
    Sie ließ sich neben ihn fallen. „Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie noch nie zuvor eine Espe gesehen haben."
    „Nur aus der Ferne, und ich habe nie kapiert, warum ihr immer so begeistert von ein paar gelben Bäumen seid."
    „Ihnen gefällt es in Colorado nicht besonders, oder?"
    „Ich fürchte nein." Jordan war ein Mann des Südens, geboren in Atlanta, wo die saftigen Laubwälder um so vieles freundlicher waren als die strengen, schroffen Rocky Mountains, aber selbst die Landschaft von Georgia hatte er stets als viel zu hügelig empfunden. Berge ließen ihn klaustrophobisch werden. An der Golfküste von Florida hingegen konnte man weit sehen, es gab jede Menge freie Flächen, Palmen und den salzigen Duft des Meeres.
    Er holte tief Luft und sog frischen, erdigen Geruch ein. Überall um ihn herum schimmerte es golden.
    Als er zu Emily aufschaute, die wie ein Engel über ihm schwebte, schien ihr Gesicht zu strahlen. Ihr lockiger blonder Pferdeschwanz glänzte wie warmer Honig. Sie war keine auffallende Schönheit, nicht wie Lynette. Emily gehörte zu den Frauen, die in einer Menschenmenge leicht übersehen wurden, doch wenn man sie einmal bemerkt hatte, sah man sofort, dass sie wie ein verborgener Schatz war.
    Sie kam auf die Füße und wischte sich den Staub von ihren Jeans. „Wenn Sie noch können, weiter unten gibt es einen Bach", sagte sie verächtlich.
    „Okay." Er zwang seine Beine, sich zu bewegen.
    Neben dem kleinen Wasserlauf, der kaum einen Meter breit war, warfen sie ihre Rucksäcke ab und setzten sich nebeneinander auf einen großen, verwitterten Stein. Obwohl Jordan sich noch immer an den goldenen Blättern erfreute, konnte er nicht

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