Flucht nach Colorado
zusammengeflickt?"
„Er hatte meine Pistole", entgegnete sie kalt. „Was blieb mir für eine Wahl?"
Kreiger blickte sie verächtlich an. „Heißt das, dass er Sie gezwungen hat? Dass Sie ihm nicht freiwillig geholfen haben?"
„Ganz genau." Seine Unterstellung erschreckte sie. „Wollen Sie vielleicht andeuten, dass ich mich hätte wehren sollen? Dass ich es hätte riskieren sollen, erschossen zu werden? Das ist genauso absurd wie die Einstellung, dass jede Frau, die vergewaltigt wird, selbst dran schuld ist. Ich bin hier das Opfer."
„Nach Aussage Ihrer Freundin Yvonne Hanson sind Sie der Meinung, dass Jordan Shane vielleicht unschuldig sein könnte."
Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass dieses zwanglose Gespräch mit Yvonne beim Unterricht der kleinen Pfadfinderinnen ihr jetzt zum Verhängnis werden könnte. „Ein Mensch ist so lange unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist", sagte sie.
„Und was denken Sie jetzt?"
Sie biss sich auf die Lippen. Es fiel ihr schwer zu lügen. Auf dem Weg zurück zu ihrem Haus hatte sie Dutzende von möglichen Antworten einstudiert. Die Antwort, für die sie sich schließlich entschied, wich nur ein wenig von der Wahrheit ab. „ Es war nicht richtig, dass Shane aus der Haft geflohen ist. Das ist ein Gesetzesverstoß. Aber ich glaube nicht, dass er seine Frau umgebracht hat."
„Da irren Sie sich, Emily. Er ist schuldig." Die Augen des Polizisten wurden kalt, er durchbohrte sie mit seinem Blick. „Sie haben Lynette Afton-Shane nicht gekannt. Sie war die schönste Frau, die ich je gesehen habe, aber sie konnte einen Mann ganz verrückt machen, so wie sie mit anderen flirtete."
Hatte Jordans verstorbene Frau womöglich auch Deputy Kreiger verrückt gemacht? Emily hatte das Gefühl, seine Verbindung zu Lynette könnte über reine Freundschaft hinausgegangen sein. Er war Skifahrer, und ihr gehörten die Berghütten. Waren sie sich so nah gekommen, dass er Vergeltung wollte?
„Machen Sie keinen Fehler, Emily. Wir werden Jordan Shane fassen, und dann wird er für sein Verbrechen bezahlen."
„Ich habe den Eindruck, dass Sie die Geschichte sehr persönlich nehmen."
„Ich diene nur dem Gesetz", antwortete er. „Ich tue alles, was nötig ist, um einen Kriminellen vor Gericht zu bringen. Ich brauche alle Informationen, die Sie mir geben können. In welche Richtung ist Shane gegangen, als er Sie zurückgelassen hat?"
Wieder umging sie eine direkte Lüge. „Er wollte versuchen, nach Florida zu kommen, also musste er irgendwie nach Denver zum Internationalen Flughafen und auf die Maschine gelangen. Lassen Sie die Flughäfen überwachen?"
„Verdammt richtig, das tun wir. Aber wie will er da hinkommen? Wir haben überall Straßensperren errichtet."
„In der Zeit, in der ich bei ihm war, hat er zwei Autos kurzgeschlossen und eines geklaut.
Er kennt sich in technischen Dingen ganz gut aus."
Kreiger lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete sie eingehend. Erleichtert hörte sie das Herannahen eines Autos. Sie war froh, dass sie nun jemand anderem Rede und Antwort stehen musste. Deputy Kreiger war gefährlich. Vielleicht hatte ja er die Belohnung für Jordans Ergreifung ausgesetzt. Lebendig oder tot.
„Sie müssen mit uns zusammenarbeiten, Emily."
„Selbstverständlich."
„Und wir brauchen alle Informationen schnell, wirklich schnell."
Zwar konnte sie verstehen, dass es schnell gehen musste, aber diese Eile schien ihr übertrieben. „Ich bin nicht sicher, ob ich Sie verstehe."
„Ich muss mich über Sie wundern." Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. „Sie kennen sich doch schließlich aus, was das Wetter in den Bergen betrifft. Eine Kaltfront ist im Anzug.
Sie haben für heute Nacht Schnee vorausgesagt. "
Während er noch sprach, fiel ihr der Temperaturabfall auf. Schnee wäre ein Segen für Jordan, weil es dann schier unmöglich war, seine Spur weiterzuverfolgen. Und die Hubschrauber konnten nicht fliegen. Aber wie sollte er in der beißenden Kälte der Rocky Mountains überleben? Sie hätte mit ihm gehen sollen. Von hier aus konnte sie ihm nicht helfen. Pass auf dich auf, Liebster.
9. KAPITEL
Jordan unternahm alles, um möglichst wenig Spuren zu hinterlassen. Dabei bewegte er sich nicht gerade anmutig durch die Berglandschaft. Mit seinem voll gepackten Rucksack kam er sich vor wie ein riesiger Jeep, der sich mit roher Gewalt seinen Weg durch den Wald bahnte.
Äste krachten laut unter seinen Füßen. Er marschierte unter tief
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