Flucht nach Colorado
hängenden Zweigen hindurch und streifte Büsche, aus denen Vögel aufstoben.
Er gehörte einfach nicht in diese Umgebung. Wenn er auf einer tropischen Insel ausgesetzt worden wäre, dann hätte er mit Leichtigkeit überleben können. Aber hier? Er kam sich vor wie ein gestrandeter Wal, ein Fisch ohne Wasser.
Gegen Nachmittag betrat er einen Espenhain und hoffte, dass er nun wieder mehr Gefallen an der Landschaft finden würde. Er blickte hoch in die zitternden goldenen Blätter, konnte diesmal aber keinen Reiz darin entdecken. Ohne Emily waren die Espen nicht mehr als ein paar gelbe Bäume. Ohne sie schien nichts eine Bedeutung zu haben.
Jordan hockte sich neben einem Bach auf den Boden, um sich auszuruhen und den Polizeifunk abzuhören. Er war jetzt nahe bei Aspen - für ihn ein weiterer völlig reizloser Ort –
und so war der Funkkontakt besonders gut. „... Suche nach einem Mann, vermutlich bewaffnet und gefährlich. Wiederhole - die Geisel ist frei. Ihre körperliche Verfassung ist sehr gut."
Erleichterung erfasste ihn und löste die Verkrampfungen in Schultern und Rücken. Emily war in Sicherheit. Zumindest im Augenblick.
Jordan feierte diese erfreuliche Neuigkeit mit einem Schluck Wasser und einem Proteinriegel, der schmeckte wie Pappe mit Schokoladenüberzug. Mein Gott, er war erschöpft, er war es leid, wegzurennen, sich unter den Bäumen zu verstecken, damit die Suchtrupps ihn nicht entdeckten. In der
Dunkelheit würde er sich schneller bewegen können, dann konnte er offene Felder überqueren und den genauen Anweisungen seines GPS-Gerätes folgen.
„... eine Schneewarnung", fuhr die monotone Stimme aus dem Funkgerät fort. „Zehn bis fünfzehn Zentimeter Neuschnee werden für heute Nacht erwartet."
Er bemerkte, dass dicke Wolken den Himmel verdunkelten. Kein Wunder, dass die goldenen Espenblätter nicht mehr geglänzt hatten. Die Sonne war schon fast verschwunden.
„Bitte keinen Schnee." Er hasste die Kälte.
Vorsichtig streckte er sich auf dem Boden aus, den Kopf gegen seinen Rucksack gelehnt.
Er war so müde. Er sehnte sich nach Wärme, nach Schlaf. Wenn er nur für ein paar Sekunden die Augen schließen könnte ...
Er wurde vom höllischen Lärm eines Helikopters geweckt. Unter den Blättern der Espen versteckt, war er so gut wie unsichtbar, vor allem jetzt, wo die Dämmerung bereits eingesetzt hatte. Es war beinahe schon dunkel. Sollten sie doch da oben herumfliegen. Sie würden ihn unter dem dichten Blätterdach niemals entdecken.
Doch dann hörte er ein anderes Geräusch, und Adrenalin schoss durch seine Venen. Das Bellen von Hunden.
Während er „ein paar Sekunden" die Augen geschlossen hatte, waren die Suchtrupps näher gekommen. Sie waren ihm auf den Fersen.
Sobald sich der Lärm des Hubschraubers entfernt hatte, sprang Jordan auf die Füße und schulterte seinen Rucksack. Wie nah sie wohl waren? In dieser Gegend konnte das Echo eines Schreis über Meilen hinweg getragen werden.
Er kletterte rasch den Hang hinauf, bis er einen Felsvorsprung erreicht hatte. Von diesem Punkt aus hoffte er, die Trupps zu sehen, bevor sie ihn entdeckten.
Er starrte durch sein Fernglas in die immer dunkler werdende Gegend. Die leichte Frische der Septemberluft hatte sich in bittere Kälte verwandelt. Jordan stellte den Kragen der Lederjacke von Deputy Collins auf und zog sich eine Strickmütze über die Ohren.
Da waren sie! Er, konnte die Lichter der Taschenlampen sehen, die sich durch die Dunkelheit bewegten. Vier Stück. Die Bluthunde bellten erneut.
Er versuchte, die Distanz abzuschätzen. Vermutlich waren sie nicht weiter als eineinhalb Meilen entfernt. Offenes Gelände erstreckte sich auf der anderen Seite. Sollte er das Risiko eingehen und in diese Richtung gehen, um seinen Vorsprung zu vergrößern? Oder sollte er hier auf dem Felsen bleiben, wo man seine Spur nicht so leicht verfolgen konnte?
Er wünschte, Emily wäre bei ihm. Sie hätte gewusst, was zu tun war.
Vorsichtig bewegte er sich am Abgrund entlang, unsicher, ob er die richtige Richtung gewählt hatte. Er hatte keine Zeit, das GPS-Gerät zu Rate zu ziehen. Noch ein paar Schritte.
Lose Steine rutschten unter seinen Schuhen weg. Er stürzte. Noch bevor er so recht merkte, was da geschah, rutschte er auf Hintern und Rücken den Abhang hinunter.
Das Schicksal hatte ihm die Entscheidung abgenommen. Am Fuße des Berges angekommen, sprang er auf die Füße. Er war nicht verletzt. Instinktiv wusste er, was zu tun war: Renn los, du
Weitere Kostenlose Bücher