Flucht nach Colorado
man sie nicht gleich erschießen, aber entdecken auf jeden Fall. Ihre Verfolger waren ihnen zu dicht auf den Fersen und zu gut bewaffnet.
Er schielte noch einmal um die Ecke. „Okay, die Luft ist rein. Auf geht's."
Sie folgte ihm über den gepflasterten Hof an der Rückseite des Hauses. Er versuchte, die Heckklappe eines Vans zu öffnen. Noch bevor es ihm gelang, hörte Emily Schritte. Sie drehte sich um und schaute direkt ins Gesicht einer streng blickenden hispanischen Frau, die eine grauweiße Dienstbotenuniform trug. Sie blickte an Emily vorbei zu Jordan.
„Rita", sagte er. „Buenas noches."
„Jordan", entgegnete sie.
Emily wartete darauf, dass die Haushälterin um Hilfe schrie. Rita Ramirez war schließlich zutiefst davon überzeugt, dass Jordan seine Frau umgebracht hatte. Sie war es gewesen, die ihn bei der Leiche entdeckt hatte. Und sie war es gewesen, die mehrmals ausgesagt hatte, dass niemand sonst im Haus gewesen war.
„Ich habe mich geirrt", sagte Rita jetzt. „Kommen Sie mit mir."
„Was?" fragte Emily atemlos.
„Jordan ist unschuldig." Rita deutete mit dem Kinn aufs Haus. „Schnell."
Sie betraten das Haus durch eine Glastür neben dem Dienstboteneingang und gingen eine Steintreppe hinunter. Während sie durch ein Gewirr aus unterirdischen Korridoren liefen, unterhielten sich Jordan und Rita auf
- Spanisch. Zwar konnte Emily nicht jedes Wort verstehen, aber sie hörte, wie der Name Isabel fiel. Sprachen sie von dem kleinen Mädchen, das Yvonne erwähnt hatte?
Schließlich öffnete Rita eine schwere, quietschende Holztür. Sie zog ein Schlüsselbund aus der Tasche, machte einen Schlüssel los und reichte ihn Jordan. „Es tut mir Leid, Jordan. Ich wusste es nicht."
„Pass auf Isabel und ihre Mutter auf", entgegnete er.
Er packte Emilys Hand und zog sie in den Weinkeller. Zwei nackte Glühbirnen erhellten den großen Raum, an dessen Wänden zu beiden Seiten deckenhohe Weinregale standen. In fast jeder der halbrunden Vertiefungen lagerte eine Flasche.
Jordan drängte sie hastig ans andere Ende zu einem bogenförmigen Ausgang. Hinter der verschlossenen Gittertür befand sich ein weiterer, viel kleinerer Raum. Jordan schloss die Tür auf und schob sie hinein. Dann gab er Rita ein Zeichen, damit sie das Licht ausknipste. Mit einem Mal waren sie in totale Dunkelheit getaucht.
„Einen Moment", sagte Jordan. Und schon sah Emily den schmalen Lichtstrahl einer Taschenlampe. Er reichte sie ihr. „Sobald du etwas hörst oder siehst, mach sie aus."
Er zog das Gitter wieder zu. Nun waren sie in dem engen Raum mit einem weiteren Flaschenregal eingeschlossen. „Das hier ist richtig guter Stoff", erklärte Jordan. „Hundert Jahre alter Cognac. Und Wein ab eintausend Dollar die Flasche."
„Kommt mir ziemlich verschwenderisch vor, so viel Geld für Alkohol auszugeben", sagte sie. „Hat deine Frau gerne getrunken?"
„Sie war eine perfekte Gastgeberin. Und legte Wert auf den perfekten Wein zum perfekten Essen." Er lief hinüber zum Steinbogen. „Hier ist gerade genug Platz, dass wir uns beide gegen die Wand drücken können, falls jemand herunterkommt und nach uns sucht."
„Ohne den Schlüssel kann hier doch niemand rein."
„Genau das ist der Trick."
Sie glitt an der Wand entlang und setzte sich auf den Boden. Zwar konnte sie es kaum erwarten zu hören, was Rita Jordan erzählt hatte, doch zugleich hatte sie ein äußerst unbehagliches Gefühl. Ihre Situation war im Grunde nur noch schlimmer geworden. Sie räusperte sich. „Es ist gar nicht so feucht und modrig, wie man es in einem Keller vermuten sollte."
„Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden ständig kontrolliert." Er ließ sich neben ihr nieder. „Es ist Teil von Ritas Job, beides zwei Mal am Tag zu überprüfen."
Sie hielt die Taschenlampe so, dass sie sein Gesicht sehen konnte. „Können wir ihr vertrauen?"
„Ja." Er beugte sich zu ihr und küsste sie. Eigentlich hatte er sie nur beruhigen wollen, doch mit einem Mal wurde sein Kuss leidenschaftlicher. Und ihre Sehnsucht nach ihm war durch die letzten Stunden auch nicht gerade kleiner geworden. Sie drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte. Dann legte sie ihr Gesicht an seine starke Brust.
„Wir schaffen es." Er streichelte ihr sanft übers Haar. „Wenn wir diese Nacht überstehen, sind wir in Sicherheit."
Sie wollte ihm so gerne glauben. Aber sie wurde dieses Gefühl von Bedrohung einfach nicht los. Ihr Herz raste noch immer. Wenn sie die Augen schloss, würde sie
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