Flucht nach Colorado
Beweise gegen Madigan hast?" fragte Emily.
„Nein." Jordan seufzte. „Ich habe das Gästehaus durchsucht, konnte aber nichts finden, was ihn mit dem Kunstraub in Verbindung bringt. Er ist einfach zu clever."
„Das kann ich kaum glauben. Du bist schließlich so was wie ein Genie, während er nur ein gefährlicher Idiot ist."
„In seinem Haus gibt es einen Safe. Ich vermute, dass darin Bargeld liegt. Wenn es so ist, kann man die Spur nicht zurückverfolgen. Kein Papierkram, keine Computerdaten. Ich könnte also nicht beweisen, dass das Geld aus dem Verkauf gestohlener Bilder stammt."
Er zog sie dichter an sich heran. „Das ist wirklich Ironie. Mit meinen ganzen aufwändigen technischen Geräten habe ich den Täter nicht finden können. Dutzende von Polizisten und Fahndern konnten den Fall nicht lösen. Und dann klärt sich alles durch die Albträume eines kleinen Mädchens."
Sie hörten, wie sich die Tür des Weinkellers quietschend öffnete. Jordan reagierte umgehend, stellte die Taschenlampe aus und drückte Emily neben sich gegen die Steinwand.
Das Licht ging an. Sie standen reglos gegen die Wand gepresst im Schatten. „Seien Sie vorsichtig", hörten sie Brian Afton sagen. „Diese Flaschen dürfen auf keinen Fall berührt werden."
Schritte hallten auf dem Betonboden. Ein schepperndes Geräusch erklang.
„Passen Sie doch auf!" zischte Brian.
„Sieht nicht so aus, als ob jemand hier wäre, Boss."
Einer der Sicherheitsleute stand direkt vor der Gittertür. Jordan konnte seine Anwesenheit spüren, er hörte den anderen atmen. „Hey, was ist eigentlich hier hinten?" fragte der Mann.
„Weg da", rief Brian böse. „Jede einzelne Flasche darin ist mehr wert als Ihr armseliges Leben."
„Haben Sie einen Schlüssel?"
„Schauen Sie doch einfach rein. Sehen Sie jemanden? Nein. Gehen wir."
Der Mann rüttelte am Türgriff. Jordan zuckte zusammen. Er spürte, wie Emily neben ihm erstarrte.
Hinter geschlossenen Augen sah Emily ein Feld mit hohem Gras, das sich im Wind kräuselte.
Der Lärm eines Apache-Hubschraubers dröhnte in ihren Ohren. Sie spürte, wie sie immer weiter in die Szene hineingezogen wurde, wie sie dem grünen Hubschrauber viel zu nah kam.
Die Grashalme teilten sich. Männer in Uniformen lagen blutüberströmt am Boden und schrien um Hilfe.
„Ein Arzt!"
Sie sah das Flackern von Geschützfeuer. Der Himmel über ihr explodierte in grellem Orange und Schwarz. Die Bäume wurden zu gigantischen Fackeln. Sie stürzte zu Boden und starrte auf ein brennendes Dorf. Menschen rannten durcheinander.
„Ein Arzt!"
Ein Mann in Uniform und mit Helm trat aus dem Wald heraus. Er trug eine weiße Metallkiste mit einem roten Kreuz darauf. Weit entfernt hörte sie Jordans Stimme. „Emily, bist du okay? Emily, antworte mir."
Sie spürte, wie ihre Lippen sich bewegten. Sie hörte sich sagen: „In meinem Kopf läuft ein Film ab, Jordan. Vietnam. Es ist schrecklich."
„Was siehst du?" fragte er.
Überall Feuer. Der Rauch brannte in ihren Augen. Trotzdem konnte sie nicht aufhören, den Mann mit dem Erste-Hilfe-Kasten anzustarren. Als er näher kam, sah sie, dass sein Gesicht mit Ruß verschmiert war. Er winkte ihr lächelnd zu.
„Meinen Vater", sagte sie. Sie erkannte ihn von den Fotos, die ihre Mutter aufgestellt hatte.
Er sah genauso aus wie auf dem winzigen Bild, das sie in ihrem Medaillon trug. Aber er war lebendig. Er war jung und stark, und er lebte. „Er kommt auf mich zu."
„Du darfst nicht mit ihm gehen." Das war wieder Jordans Stimme. „Du musst bei mir bleiben."
„Ich weiß."
Sie sah nur noch das Gesicht ihres Vaters, und sie wurde von einer Klarheit gestreift, die so zart war wie der Flügel eines Engels.
„Auf Wiedersehen, Daddy", flüsterte sie. „Ich werde dich immer lieben."
Sie blinzelte. Dann schloss sie die Augen noch einmal und tauchte in eine beruhigende, samtene Dunkelheit. Sie hatte mit ihrer Vergangenheit Frieden geschlossen.
Als sie die Augen wieder öffnete, lag sie auf dem Betonboden. Jordan hielt sie fest. Und es war nicht mehr länger dunkel.
„Ist schon gut", sagte er. „Sie sind weg. Niemand wird dir etwas antun."
„Das Licht ist noch an."
„Brian hat vergessen, es auszuschalten. Wie fühlst du dich?"
„Mir geht es gut." Endlich hatte sie die Chance bekommen, sich zu verabschieden. „Mir geht es gut."
„Du kannst ruhig liegen bleiben. Wir warten so lange, bis Rita uns sagt, dass wir rauskommen können."
Sie schmiegte sich an ihn, vollkommen
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