Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
zu umgehen, würde Tage dauern.«
»Wie können wir sie überqueren?«, fragte Kraig.
»Es gibt eine Brücke. Um sie zu erreichen, müssen wir näher an ein Ogerdorf heran, als mir lieb ist, aber es gibt keinen anderen, einfachen Weg, um die Schlucht zu überwinden.«
»Benutzen die Oger die Brücke?«, wollte Alek wissen.
»Manchmal. Aber wenn wir vorsichtig sind, können wir sie meiden. Wir werden in der Lage sein, die Brücke zu sehen, während wir uns noch zwischen den Bäumen verstecken, sie hingegen werden uns dann nicht erkennen können. Und sofern Salin uns nicht irgendwie überholt hat, werden uns die Oger nicht erwarten. Jedenfalls werden wir die Brücke ohnehin erst morgen erreichen. Es ist spät, und wir müssen einen Platz zum Lagern suchen.«
Bald gelangten sie zu einer kleinen, von einem Ring aus Bäumen geschützten Lichtung. Das Zwielicht verblasste zur Nacht, als sie ihre Decken auf dem Boden ausbreiteten und das Lager aufschlugen. Wie an jedem der letzten Abende übte Alek zwei Stunden unter Lorns strengen Blicken. Der Krieger brachte ihm nichts Neues bei, sondern bestand darauf, dass Alek unablässig die Formen durchspielte, die er bereits gelernt hatte. Dabei erkannte Alek, dass er die einfachsten Formen mittlerweile fließend beherrschte, ohne darüber nachdenken zu müssen. Bei den schwierigeren hatte er noch etwas zu kämpfen, doch er wusste, dass er insgesamt besser wurde.
Er konnte kaum glauben, wie wohl er sich allmählich mit dem Schwert in der Hand fühlte. Als Lorn vor wenigen Tagen mit seiner Ausbildung begonnen hatte, hielt Alek es noch für undenkbar, dass er sich je an das Gefühl des Griffs unter seinen Fingern gewöhnen könnte. Nun empfand er es als regelrecht natürlich, fast so, als gehörte die Waffe dorthin.
»Gut«, befand Lorn, als Alek einen Bewegungsablauf abschloss. »Etwas steif am Anfang, aber die letzten Züge waren tadellos.«
Alek wischte sich Schweiß von der Stirn und lächelte. »Also werde ich besser?«
»Ja, aber lass es dir nicht zu Kopf steigen. Jeder Soldat, der seine Rüstung wert ist, könnte dir im Schlaf die Klinge zwischen die Rippen stoßen. Dennoch, du wirst besser. Um ehrlich zu sein, ich hätte nicht damit gerechnet, dass du so schnell lernst. Andere brauchen Wochen, um die Fortschritte zu erzielen, die du in wenigen Tagen geschafft hast.«
»Stan hat auch immer gesagt, dass ich schnell lerne.«
»Stan?«, fragte Lorn.
»Mein früherer Meister, der Bäcker von Bartambuckel. Er war ein guter Mann.« Kurz überkam Alek ein Anflug von Trauer. »Salin hat ihn getötet.« Betrübt ließ er den Kopf sinken.
»Das tut mir leid«, sagte Lorn. »Aber er hatte Recht, Alek. Du lernst in der Tat schnell. Nur denk daran, Schwertkampf ist nicht wie Backen. Es ist ein Geschick, das dir das Leben retten kann. Man kann dadurch auch den Tod finden, aber wenn du eine Klinge tragen willst, musst du damit umzugehen wissen.«
Alek nickte, während ihm eine Träne über die Wange lief. Verlegen wischte er sie mit dem Handrücken weg. »Ich weiß. Ich wünschte nur, es wäre nicht nötig.«
Lorns Züge wurden sanfter, und er legte Alek in einer für ihn ungewöhnlich mitfühlenden Geste die Hand auf die Schulter. »Ich weiß genau, wie du dich fühlst.« Kurz begegnete er Aleks Blick, dann wich er zurück und setzte wieder eine ernste Miene auf. »Aber wir haben noch eine halbe Stunde Zeit. Weiter zur dritten Form.«
Trotz seiner Müdigkeit hob Alek das Schwert an und machte sich wieder an die Arbeit.
Am nächsten Tag brachen sie früh auf. Alek hatte die Nacht hindurch traumlos geschlafen und fühlte sich ausgeruht. Die Sonne schien hell und warm. Goldene Lichtstrahlen fielen durch das Geäst herab. Bald lichteten sich die Bäume, und die Gefährten betraten felsiges Gelände, auf dem der Wald nur spärlich wuchs. Sie gingen weiter, bis sie einen steilen, abschüssigen Hang erreichten. Steine übersäten den Boden, die einzigen Pflanzen waren kleine, trockene Büsche. Am Fuß des Abhangs fiel das Gelände jäh ab und bildete eine mächtige Schlucht, eine halbe Meile breit und mehrere hundert Fuß tief. Alek schaute nach links und rechts. Die Schlucht erstreckte sich weiter, als das Auge reichte.
Ein Stück östlich spannte sich eine breite Holzbrücke darüber. Alek fragte sich, wie sie gebaut worden sein mochte; es musste ein unvorstellbar aufwendiges Unterfangen gewesen sein. Die Brücke bestand aus schlichten Holzplanken und wurde von mächtigen
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