Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
schüttelte nur mit grimmiger Miene den Kopf und hatte keine brauchbare Lösung zu bieten. Schließlich wurde Kraig ungeduldig und sah Lorn fragend an.
»Du bist unser Führer, Lorn. Was schlägst du vor?«
Zum ersten Mal seit Langem wirkte der Krieger verunsichert, regelrecht besorgt. Alek vermeinte, den alten Lorn durchschimmern zu sehen, jenen von Scham und Ohnmacht erfüllten Lorn, den sie in Bordonstett kennen gelernt hatten. Der Krieger blickte auf seine Füße hinab, kaute auf der Unterlippe und rieb sich den zerzausten Bart. Nach einer Weile schaute er wieder auf. Aus seinen Augen sprachen Furcht und Zweifel.
»Wir können uns nicht durch ein Dorf der Oger kämpfen«, sagte er. »Vielleicht gibt es einen anderen Weg, aber ich weiß nicht, ob … Nein, ich bin nicht mehr der Mann, der ich einst war. Sie werden mich nicht erkennen.« Beschämt wandte er sich ab. »Michael, du musst uns helfen, dieses Hindernis zu überwinden. Ich kann es nicht.«
Der Einsiedler ging zu Lorn und drehte den größeren Mann herum. »Ich kann nichts tun, Lorn. Wie du richtig sagst, wir können nicht gegen ein ganzes Dorf kämpfen. Wenn du einen Weg an ihnen vorbei kennst, dann musst du es uns sagen. Lorn, du hast es weit gebracht, seit du dich uns in Bordonstett angeschlossen hast. Du kommst damit zurecht. Du musst!«
Lorn holte tief Luft und blies sie langsam aus, bemühte sich sichtlich, sich zu beruhigen. Mit nach wie vor gesenktem Blick schüttelte er langsam den Kopf. Als er wieder aufschaute, war ein Teil seines Selbstbewusstseins in seine Augen zurückgekehrt.
»Na schön«, sprach er leise. »Mein Plan sieht folgendermaßen aus. Als ich vor langer Zeit mit meinem Vater hier vorbeikam, haben wir uns ausgiebig mit einem Ogerhäuptling unterhalten. Meinem Vater, der ein großartiger Berater und Vermittler war, gelang es, eine Streitigkeit zwischen den Ogern und dem Elbenvolk gütlich zu schlichten, wodurch er das Vertrauen und die Freundschaft beider Rassen erlangte. Ich werde mit den Ogern reden. Mit etwas Glück erinnern sie sich vielleicht an meinen Vater. Und wenn ja, wissen sie vielleicht noch, dass sie ihm einen Gefallen schulden. Auch wenn sie Oger sind, ehren sie diese Schuld vielleicht.«
»Da kam jetzt aber sehr oft ›vielleicht‹ vor«, befand Alek. »Und was, wenn diese Oger für Salin arbeiten.«
Der Krieger zuckte mit den Schultern. »Hoffen wir, dass dem nicht so ist.«
Alek empfand Lorns Erwiderung als alles andere als beruhigend. Der Krieger setzte sich Richtung Osten in Bewegung, und die anderen folgten ihm. Michael reihte sich neben ihm ein und unterhielt sich leise mit ihm.
»Du bist und bleibst ein Rätsel für mich, Lorn. Wer ist dein Vater, dass er Ogern Gefallen getan hat? Nur sehr wenige Menschen hatte je eine Unterredung mit ihrer Rasse.«
»Oger sind nicht wie Kobolde«, entgegnete Lorn. »Sie sind nicht von Natur aus böse. Sie mögen kriegerisch und besitzergreifend sein, aber sie sind nicht böse. Der Schatten des Seth hatte viele von ihnen zur Dunkelheit bekehrt, trotzdem gib es noch welche, die frei von ihr sind.«
»Ich weiß«, sagte Michael. »Nichtsdestotrotz mögen sie Menschen nicht besonders. Worum ging es bei der Streitigkeit zwischen den Ogern und den Elfen, die zu schlichten dein Vater geholfen hat?«
Lorn sah den Einsiedler düster an. »Ich offenbare dir meine Geheimnisse, nachdem du die deinen preisgegeben hast.«
Michael wandte den Blick ab und biss die Zähne zusammen. Steif stapfte er davon, ohne den Krieger noch einmal anzusehen.
»Ein reizendes Paar«, flüsterte Sarah in Aleks Ohr.
Der Bäcker lächelte zwar, fand Sarahs Äußerung jedoch wenig unterhaltsam. Michaels Heimlichtuerei hatte er gründlich satt, und was Lorn anging, wurde er zunehmend neugieriger. Auf jeden Fall verkörperte der Mann keinen einfachen Soldaten. Sein Vater musste jemand mit großem Einfluss sein. Ein wohlhabender Händler? Ein Kleinadeliger?
Eine Weile grübelte Alek darüber nach, dann gestand er sich widerwillig ein, dass solche Geheimnisse keine Rolle spielten. Jedenfalls nicht im Augenblick, zumal es Wichtigeres gab, über das es sich den Kopf zu zerbrechen galt. Aber sobald sie Faerie erreichten und sich in Sicherheit befanden, würde er die Wahrheit sowohl über Michael als auch über Lorn in Erfahrung bringen. Sie konnten ihn nicht ewig im Dunklen lassen.
Nach einem Marsch von etwa zwei Stunden in östlicher Richtung erreichten sie das Dorf. Das Gelände war zwar felsig,
Weitere Kostenlose Bücher