Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
trotzdem fühle ich mich, als könnte die Wunde aufreißen, wenn ich mich zu stark bewege.«
»Das wird schon wieder«, meinte Kraig. Sein Hemd war voller Koboldblut. Er hob die Axt an und schüttelte den Kopf. »Ich kann kaum glauben, dass ich dieses Ding bereits benutzen musste. Wenigstens musste ich keine Menschen töten, sondern nur diese kleinen, grünen … Kobolde.«
»Kobolde«, wiederholte Sarah und schüttelte ebenfalls ungläubig den Kopf. »Wie aus einem Kinderbuch.«
Michael trat an die drei heran. »Ich habe mich mit Tor unterhalten«, verkündete er. »Er hat angeboten, uns bis nach Bordonstett zu begleiten, und ich habe ihn beim Wort genommen. Seine Fähigkeiten können wir gut gebrauchen, vor allem, falls wir noch einmal in einen Hinterhalt geraten. Hütet in seiner Gegenwart trotzdem die Zungen. Sprecht weder vom Talisman noch von Salin. Ich habe ihm erzählt, wir reisen bloß nach Bordonstett, um Freunde zu besuchen, und wollten durch den Wald, weil wir das für schneller hielten.«
»Du vertraust ihm nicht?«, fragte Alek.
»Ich kann es mir nicht leisten, jemandem zu vertrauen, den ich nicht kenne, jedenfalls nicht, bis sich jemand mein Vertrauen verdient hat. Dieser Tor ist zu einem äußerst glücklichen Zeitpunkt aufgetaucht. Vielleicht war es ein Zufall, vielleicht auch nicht. Vorerst brauchen wir ihn, deshalb kommt er mit. Aber wir kennen ihn nicht. Seid also auf der Hut.«
Damit kehrte Michael zu Tor zurück, der etwas abseits stand und den Fluss betrachtete, der die Koboldleichname wegschwemmte. Kraigs Miene verfinsterte sich, als er den Kopf schüttelte und meinte: »›Seid auf der Hut‹ … Ich vertraue ja selbst
ihm
noch nicht.« Er ging zu den beiden älteren Männern hinüber. Alek und Sarah folgten ihm.
»Für gewöhnlich erleben wir so hoch im Norden kaum Koboldtreiben«, erklärte Tor. »Gelegentlich durchstreifen sie die Wälder unterhalb von Valaria, aber selbst dem wurde fast völlig ein Riegel vorgeschoben. Ich frage mich, was diese Jagdgruppe im Nordwald wollte.«
»Eine seltsame Rasse«, erwiderte Michael. »Mit einem Hang zu Argwohn. Wer vermag schon zu sagen, warum sie so handeln, wie sie es tun?«
»Ja, da hast du wohl Recht«, sagte Tor lächelnd. Selbst lächelnd wirkten seine Züge hart wie Stein und die Augen kalt wie Eis.
Ohne ein weiteres Wort führte Michael sie weiter nach Norden. Tor ging neben ihm, die anderen liefen einige Schritte hinter den beiden. Es war zwar nach wie vor mehr als ein Tagesmarsch nach Bordonstett, trotzdem hoffte Alek, dass die Gefahr nun gebannt war. Mit etwas Glück würden die Wölfe auf der anderen Seite des Flusses bleiben, und die Kobolde waren tot. Zumindest hoffte er, dass alle tot waren. Oder konnte es noch mehr von ihnen geben? Michael hatte gesagt, Alek sei ihr Ziel gewesen, dennoch hoffte der Bäcker, dass es nur ein willkürlicher Angriff gewesen war, eine Jagdgruppe, die vermeintlich einfache Beute gesichtet hatte. Allerdings hatte sich Michael bisher noch kaum geirrt. Wahrscheinlicher erschien daher, dass die Kobolde für Salin arbeiteten. Der Gedanke jagte Alek einen kalten Schauder über den Rücken. Der Hexer würde sie bestimmt im Nu einholen, wenn ihm einer seiner Diener ihren Aufenthaltsort meldete. Alek betete inständig, dass es ihnen gelungen war, alle Kobolde zu töten.
Den Rest des Tages, der ereignislos verlief, marschierten sie schweigend vor sich hin und kamen zügig voran. Das Licht und die Wärme, die sich einen Weg durch die Baumwipfel bahnten, fühlten sich gut an und trockneten Aleks Kleider und Haar. Zuvor war es ihm ob der sich überschlagenden Ereignisse nicht aufgefallen, doch das Wasser des Flusses war ziemlich kalt gewesen. In der Abenddämmerung gelangten sie zu einer Lichtung, wo ein Ring von Bäumen einen trockenen, von Blättern übersäten Kreis umgab. Tor schlug vor, dort das Nachtlager zu errichten. Es war gewiss keine Stelle, die Michael gewählt hätte, dennoch nickte er zustimmend. Hätte Alek es nicht besser gewusst, er hätte geglaubt, dass Tor die Führung der kleinen Gruppe übernommen hatte. Sein Gebaren und die Kälte seiner Augen vermittelten ein Selbstvertrauen, das Michael trotz seiner Entschlossenheit nicht zu besitzen schien. Der schwarz gekleidete Mann vermittelte eine spürbare Gegenwart, eine Ausstrahlung, der man gerne folgen wollte. Zumindest war das der Eindruck, den Alek in den wenigen Stunden gewonnen hatte, die er den Mann kannte.
Sie breiteten die Decken in
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