Flucht nach Lytaxin: Ein LIADEN-Roman (German Edition)
Chance, alle zu finden, ehe der Sprung zu Ende ist, sei sehr gering.«
Er sah sich jedes der ernsten Gesichter nacheinander an. Niemand schien zu verzweifelt zu sein. Er schaute auf seine eigenen Hände, groß, braun, geschickte Hände, ruhig gefaltet, der Amethyst des Meisterhändlers glänzte wie eine kleine, rosa Sonne im Licht des Instrumentenpults. Er schaute wieder auf den Schirm.
»Im Normalraum würden wir schlicht die Schilde umpolen und schauen, dass wir weit genug weg sind, ehe das Ding explodiert – oder es als Übungsziel benutzen, falls es das nicht macht.
Hier aber haben wir eine andere Situation. Wir sind, wie alle wissen, im Sprung und können nicht manövrieren. Auf der anderen Seite deuten die physikalischen Gesetze, die den Sprung regeln, darauf hin, dass eine Explosion im Waffenträger die darin enthaltene Energie freisetzen wird, die dann die Ortsmatrix des Sprungs selbst auffüllen sollte, ohne das Energie-Masse-Gleichgewicht zu verändern. Jemand anderer Meinung?«
bestürzte Gesichter zeigten Zustimmung.
Shan seufzte.
»Der Captain sieht keine Lösung, die sich von selbst anbietet. Ich schlage vor, dass jeder sich eine Alternative überlegt, während der kommenden zwölf Minuten. Dann entscheiden wir es. Piloten – legt los!«
»Pogostab!«, protestierte Vilobar und strich sich nervös über den Schnurrbart. »Ich kann nicht sehen, wie …«
»Keine Streitigkeiten«, befahl Shan. »Wir sammeln Ideen.«
»Nein, aber die Federn … wenn Raketen nicht helfen, dann vielleicht Federn.« Gordy sprach weiter, übertönte sowohl den älteren Piloten wie auch den Captain. »Installiert sie am Verbindungsgang, zusammengedrückt und gespannt. Dann auslösen – die Federn springen auf und drücken den Waffenträger fort. Dann ziehen wir den Tunnel ein.«
»… benutzen die Schirme des Waffenträgers, falls wir ihnen trauen können. Sobald wir getrennt sind, hängt es von der Philosophie ab. Wird die Energie durch das gesamte System fließen oder stoppt der Verlust der physikalischen Kongruenz den Energiefluss?«
Seth schaute von seinen Notizen auf und grinste. »Wenn es funktioniert, werden wir den Philosophen und den Physikern viel Stoff zum Nachdenken geben.«
»Wir schneiden den Waffenträger ab, wenn es sein muss«, sagte Ren Zel schnell. »Der Energieverlust ist innerhalb der Toleranzwerte, wie auch die Schwächung der Schiffsintegrität. Wir werden aber das Schneideteam verlieren …« Er schaute hoch, die Augen leer im höflich-ausdruckslosen Liadengesicht. »Notwendigkeit, Captain.«
Auch dies veranlasste Shan dazu, es bei den zwölf Minuten zu belassen, es war wirklich nicht mehr genug Zeit, um zu entscheiden, wie viel Zeit sie noch hatten.
Shan starrte auf den Bildschirm, der angefüllt war mit einem wachsenden Dschungel aus Leitungen, Plattformen, Landestützen und dem gelegentlichen Schatten eines der Freiwilligen, der Anpassungen durchführte, alles tat, was er konnte, um einen gleichmäßigen Druck zu erzeugen.
Ken Rik leitete das Team der Freiwilligen. Ein Pilot hatte dabei sein müssen, und ein alter Mann mit Basisqualifikation – so hatte Ken es selbst ausgedrückt, mit einem ernüchternden Mangel an seiner sonst sichtbaren Leidenschaft – würde von Schiff und Besatzung weniger vermisst werden als ein Meisterpilot, wenn etwas schiefging. Selbst, wenn der Meisterpilot ein junger Idiot war.
Shan beobachtete und wartete. Auf seinem zweiten Schirm sah er Priscilla ebenso warten und wurde von einer Woge des Verlangens überrascht, so stark, dass seine Augen tränten. Er musste bald etwas bezüglich der Anpassung der Prioritäten tun; diese Gewohnheit, den ersten und zweiten Offizier aus Sicherheitsgründen getrennt zu halten, sah nicht nach einer dauerhaft funktionierenden Lösung aus.
»Das war der letzte«, erklärte Ken Rik aus dem Waffenträger, immer noch in diesem bestürzend ruhigen Tonfall. »Wir kommen jetzt raus, Captain.«
»Gut«, sagte Shan. »Jeder muss sich melden und gezählt werden, wenn er im Schiff ankommt. Wir wollen niemanden aus Versehen in dem Ding lassen.«
Er drückte einen Knopf; das Bild zeigte nun die Außenhülle des Waffenträgers, und er erhöhte die Vergrößerung, bis er die farbigen Markierungen erkennen konnte – jeweils im Abstand eines halben Meters, um die Bewegung zu messen, die die Instrumente während des Sprungs nicht erkennen konnten. Bewegung, die im Sprung eigentlich nicht möglich war.
Laut Theorie.
Shan seufzte. Er
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