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Flucht übers Watt

Titel: Flucht übers Watt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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immer wieder stehend in die Pedale treten musste. Der Verfolgungssprint hatte Harry zugesetzt. Seine Nase war jetzt zwar frei, aber er musste dauernd husten. Der Hals kratzte, und außerdem hatte er noch den unangenehm süßlichen Geschmack der Gummierung von dem Briefumschlag im Mund.
    Er guckte sich ständig um. Und da sah er ihn auf der parallel zum Wanderweg verlaufenden kleinen Fahrstraße. Der Ford des Kieler Kommissars fuhr auf seiner Höhe. auf einmal hörte er Schüsse. Über die Weide zwischen den beiden Wegen verteilt ging eine Gruppe von Jägern in grünen Jacken und mit Flinten im Anschlag. Jeweils fünfzig Meter voneinander entfernt |269| durchkämmten sie in einer langen Reihe mit ihren Hunden die Wiese. Das Gebell hallte zu ihm herüber. Harry hoffte, dass die Jagdgesellschaft die Polizei vielleicht etwas ablenken würde.
    Während er sich mit dem Rad unablässig durch Wasserlöcher und rutschigen Sand arbeitete, machten seine Gedanken die wildesten Sprünge. Er musste seinen Fluchtplan ändern. Die ›Feriengäste‹ konnte er erst mal abschreiben. In der »Nordseeperle« brauchte er sich vor allem schon wegen des eingetretenen Daches nicht mehr blicken zu lassen. Und die heutige Fähre konnte er auch vergessen. Sie liefin einer Viertelstunde in Wittdün aus. Und die nächste ging erst morgen früh. Aber irgendwie musste er von der dämlichen Insel wegkommen. Und zwar möglichst heute noch. Wenn die tote Silva Scheuermann schon entdeckt worden war, dann würde es langsam richtig ungemütlich für ihn.
    »Verdammte Scheiße«, schrie er laut gegen den Fahrtwind. »Warum bin ich nur auf dieser verfluchten Insel? Wie komme ich bloß von dem versifften Matschweg schnell auf einen internationalen Flughafen?«
    Er musste umgehend aus Deutschland verschwinden. Mit fünfzehnhundert Mark kam er auch nicht lange über die Runden. Die Hälfte ging bestimmt für den Flug drauf. Vielleicht würde er einfach erst mal in den USA bleiben. Könnte er von New York aus sein Zimmer in St. Pauli auflösen? Zwei Mieten war er bei Ingo im Rückstand und bald eine dritte. Alles Mögliche schoss ihm durch den Kopf, während er wie ein Irrer weiterstrampelte.
    |270| Als er sich dem direkt am Watt gelegenen Teehaus Burg näherte, sah er dort zwei Autos stehen. Den einen Wagen erkannte er sofort. Es war der rostige Renault von Wilma Feuerstein. Und Anke kam gerade aus dem Haus mit einem Paket in der Hand. Das könnte meine Rettung sein, dachte Harry. Er trat kräftiger in die Pedale, um sie noch zu erwischen.
    »Anke, du musst mich mitnehmen. Du bist meine einzige Chance«, hechelte er völlig außer Atem.
    »Das hab ich doch gleich gewusst.« Sie grinste breit, stellte ihren Karton auf die Kühlerhaube und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Nun komm erst mal wieder zu Atem.«
    »Nein, ich muss schnell weg. Ich kann dir das jetzt nicht länger erklären   ... «
    Wenn Anke mit ihrem R4 hierher gefahren war, konnten auch Seehase und Tadsen jederzeit aufkreuzen.
    »Nee, das glaub ich jetzt nicht.« Sie strich sich die blonde Haarpracht aus dem Gesicht.
    »Die Bullen mit dem Blaulicht sind doch nicht etwa hinter dir her?« Anke war beeindruckt. Die Vorstellung, das Fluchtauto zu fahren, gefiel ihr offenbar.
    »Ja, worauf wartest du noch, steig ein.«
    Harry stellte das Fahrrad eilig hinter die Hecke des Teehausgartens. Dass er hier das Fluchtfahrzeug gewechselt hatte, musste die Polizei ja nicht unbedingt gleich sehen.
    »Pass ich überhaupt in den Kofferraum?«, fragte er.
    »Versuchen wir es.« Sie öffnete die Haube und räumte hastig einen Werkzeugkasten und eine bis zum Rand |271| mit Krabben gefüllte Plastikschale auf die Rückbank. Harry kauerte sich auf die Ladefläche.
    »Wahnsinn!« Anke schüttelte lachend den Kopf. »Das glaubt mir keiner.«
    »Erzähl es bitte auch keinem.«
    »Ist schon klar.«
    Mit einem Schwung schlug sie die Heckklappe zu. Eine Art Hutablage fiel Harry auf den Kopf. Sie stieg ins Auto und fuhr los. Allzu viel Platz hatte er nicht. Bei jeder Bodenwelle schlug ihm der Radkasten in den Rücken. Das Heck des R4 wippte bei jeder Unebenheit auf und ab. Nach ein paar hundert Metern hielten sie an. Er hörte den Motor eines anderen Wagens neben sich, eindeutig der »Jetta« mit dem defekten Auspuff. Anke schob das Seitenfenster zurück.
    »Moin, Hark.«
    »Hast’ hier jemand’ gesehen?« Harry fühlte sein Blut pulsieren und wagte kaum zu atmen in seinem Kofferraum.
    »Wie, jetzt?«
    »Na, is hier

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