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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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Bloomfield kam noch einen Schritt näher. Ich konnteden minzigen Geruch von Sozodont-Zahnpulver in ihrem Atem riechen. Ma Evangeline hatte es zu besonderen Anlässen benutzt, um ihre Zähne weiß zu bekommen. Bee Bloomfield sagte: »Würdest du mir einen Kuss geben, P. K.?«
    »Wie bitte?«
    Sie erwiderte: »Adelicia sagt, sie ist schon geküsst worden, und die ist jünger als ich. Hannah & Susan genauso. Ich bin das einzige Mädchen in meiner Klasse, das noch nie einen Jungen geküsst hat.«
    Sie hatte ihre Augen geschlossen, & ihre geschürzten Lippen zielten direkt auf mich.
    Ich sagte: »Ich werde nicht gern berührt. Wiedersehen!«
    Gerade noch rechtzeitig schlüpfte ich ihr davon. Wahrscheinlich hat sie die hölzerne Statue geküsst.
    Ich eilte aus dem Tabakwarenladen, zog meinen Bowler-Hut tiefer, bog nach rechts & überquerte die schlammige Taylor Street in Richtung Recorder’s Office.
    Ich dachte: Was ist bloß los in Virginia City? Die Leute hier wollen einen entweder umbringen oder küssen.

KONTOBUCHBLATT 29

    Trotz des Schneefalls der letzten Nacht war es beinahe warm. Die frühmorgendliche Sonne malte die langen blauen Schatten der Stadt auf den Hang des Mount Davidson. Es war das merkwürdigste Wetter, das ich je erlebt hatte. Gestern war es heiß gewesen. Letzte Nacht hatte es geschneit. Jetzt war es wieder klar, und die warme Sonne schmolz den Schnee. Nur in den Bereichen der Straße, die sich im Schatten befanden, lag noch eine dünne Schicht. Die Mitte der Durchfahrtsstraße war bereits von der niemals endenden Prozession von Kutschen und mit Quarz beladenen Fuhrwerken aufgewühlt und zu Schlamm verwandelt worden.
    Der strahlend helle Tag hob meine Stimmung. Ausnahmsweise wurde ich nicht von Desperados mit gezückten Revolvern verfolgt. Ich hatte mein unschätzbar wertvolles Dokument bei mir & innerhalb einer Stunde – so Gott wollte – würde ich in der Kutsche nach Chicago sitzen.
    Ich überquerte die schlammige Durchfahrtsstraße zurwestlichen Seite der B Street, und während ich in Richtung Norden lief, erzeugten meine schweren Schuhe auf dem Gehsteig ein Echo. Ich hielt einen großen Abstand zu dem großen braunen Hund vor Fultons Fleischmarkt & überquerte ohne weiteres Missgeschick die Union Street. Auf der anderen Straßenseite konnte ich den Hintereingang des International Hotels sehen & den zwölf Meter hohen Fahnenmast, der sich auf dem Dach erhob. Als ich die Sutton erreichte, bog ich links ein.
    Hier gab es keinen Gehsteig, & der schmelzende Schnee hatte aus der Straße einen Fluss gemacht. Als ich sie halb hinaufgestiegen war, geriet ein entgegenkommendes Pferd ins Schlittern. Es scheute, der Reiter verlor fast die Kontrolle, und beinahe wurde ich niedergetrampelt.
    Ich drückte mich gegen die Backsteinmauer eines Gebäudes und kämpfte mich auf dem rutschigen Spielplatz des Satans aufwärts. Als ich die A Street erreicht hatte, stieß ich ein Dankesgebet dafür aus, dass ich mich wieder auf ebenem Grund befand. Dann nahm ich mir einen Moment, um zu Atem zu kommen & um sicherzugehen, dass ich nicht verfolgt wurde, & um mich zurechtzufinden.
    Schräg gegenüber befand sich die
Territorial Enterprise
. Und auf der ihr gegenüberliegenden Straßenseite das Recorder’s Office. Ich konnte das Schild sehen.
    Ich wartete noch auf den geeigneten Moment, um hinüberzugehen, als ich an der Ecke gegenüber einen großen Mann herumlungern sah. Er trug einen schwarzen Schlapphut & einen sandfarbenen Staubmantel aus Wachstuch & er hatte den größten Adamsapfel, den ich je gesehen hatte. Es war Extra Dub.
    Mein ganzer Körper wurde plötzlich kalt & mein Herz begann zu rasen. Statt die Sutton zu überqueren, ging ich über die A Street nach Westen. Von diesem günstigen Punkt aus konnte ich eine weitere verdächtige Gestalt etwa fünfzehn Meter von mir entfernt auf meiner Straßenseite ausmachen. Der Mann lehnte an einem Holzpfeiler direkt gegenüber vom Recorder’s Office. Auch er trug einen schwarzen Hut und einen beigefarbenen Staubmantel. Als er sich umwandte, um auszuspucken, sah ich, dass er eine gebrochene Nase und zwei blaue Augen hatte, von denen das eine etwas mehr schielte als das andere. Es war Boz. Rasch senkte ich den Kopf, damit er mich nicht bemerkte.
    Ich holte tief Luft, ging, mit immer noch gesenktem Kopf, auf ihn zu, erwischte eine Lücke im Verkehr und überquerte die schlammige Straße. Ich trat auf den Gehsteig und klopfte geschäftsmäßig gegen die PONY-EXPRES S-Tür

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