Flucht vor den Desperados
Handgelenke zu fesseln.
»Ich verstehe nicht, warum du mir das antust«, sagte er.
»Sie haben mir gesagt, ich solle niemandem vertrauen«, erklärte ich. »Und ich glaube, das war ein guter Rat.«
»Touché«, sagte er und »Wohlah!«, als er mit dem Fesseln ihrer Handgelenke fertig war. »Wie weiter?«
»Ziehen Sie Ihre Schuhe aus«, befahl ich, »und ziehen Sie die Schnürbänder heraus!«
Isaiah Coffin beugte sich hinunter und begann damit, sich die Schuhe auszuziehen.
»Bind mich los, P. K.«, sagte Belle. »Dann teile ich den Gewinn mit dir fifty-fifty.«
»Ich habe bereits einen Partner«, entgegnete ich. »Und er kommt jeden Moment mit der Sahne zurück. Mr Coffin, würden Sie bitte Ihre Schuhe zu mir herüberschieben? Und benutzen Sie eines der Schnürbänder, um sich Ihre Fußgelenke zusammenzubinden.«
Isaiah Coffin seufzte, tat aber, was ich verlangt hatte.
Der nächste Teil war knifflig. Ich musste mit meiner rechten Hand seine Handgelenke fesseln, während ich weiterhin den Revolver mit der linken Hand auf die beiden gerichtet hielt. Aber ich schaffte es. Danach band ich Isaiah Coffins Handgelenke an die von Belle.
Sie saßen nun Rücken an Rücken auf der Sofakante, und ihre Handgelenke hatte ich mit so vielen Knoten und so fest aneinander geschnürt wie möglich.
»Jetzt schließen Sie die Augen, beide«, sagte ich, »und zählen Sie laut bis hundert.«
Als die beiden anfingen, laut bis hundert zu zählen, ging ich zur Eingangstür und drehte das Schild im Türfenster um, sodass von außen GESCHLOSSEN zu lesen war. Dann ging ich hinaus & schloss die Tür ab. Ich spähtenoch einmal durchs Fenster, um sicherzugehen, dass ihre Augen noch immer geschlossen waren.
Belle hatte ein Auge geöffnet, machte es aber rasch wieder zu, als sie mich hereinschauen sah.
Ich sicherte den Hahn meiner Smith & Wesson & ließ sie in meine Tasche gleiten. Dann tastete ich nach dem Medizinbeutel, den ich sicher unter meinem Hemd & der Jacke verstaut hatte. Ich spürte, wie der Brief beruhigend knisterte.
Als ich mich Richtung Recorder’s Office umwandte, sah ich, wie Ping über den Gehsteig näher kam. Er hatte ein randvolles Kännchen Sahne in der Hand und konzentrierte sich darauf, nichts zu verschütten. Ich wollte mich nicht auf lange Erklärungen einlassen, warum ich seinen Boss gefesselt hatte. Bevor er also aufschauen und mich entdecken konnte, eilte ich rasch in den Tabakwarenladen nebenan, um abzuwarten, bis er vorbeigegangen war.
Bloomfields Tabakwarenladen war ein enges Geschäft – eher ein langer Korridor –, aber die Regale an den Wänden waren bis zum letzten Zentimeter gefüllt mit farbigen Dosen & Tabaksbeuteln. Es gab auch Pfeifen & Zigarren. Und neben der Eingangstür stand ein fast zwei Meter hoher bemalter Indianer aus Holz.
Der Geruch erinnerte mich an Pa Emmet, und für einen Moment verschwamm mein Blick. Dann blinzelte ich, und er wurde wieder klar.
»Hallo«, sagte die Stimme eines Mädchens. »Kann ich dir behilflich sein?«
Ich wandte mich um und sah, dass das Mädchen von gestern auf mich zukam.
»Ich schaue mich nur um«, sagte ich.
»Du erinnerst mich an meinen Cousin Moshee.« Sie streckte mir die Hand entgegen. »Ich heiße Becky Bloomfield«, sagte sie. »Wie heißt du?«
Ich schüttelte ihre feuchte, warme Hand.
»Mein Name ist P. K.«, sagte ich.
Sie hatte blasse Haut & die längsten Wimpern, die ich je gesehen hatte. Ohne meine Hand loszulassen, sagte sie: »Das hier ist das Geschäft meines Vaters. Er heißt Salomon, aber alle nennen ihn Smiley. Meine Freundinnen nennen mich Bee – wie Biene –, weil ich so süß bin wie Honig. Wir schaffen bald alles hier zu unserem Geschäft in der C Street rüber. Bis wir den Laden verkauft haben, lässt mein Vater mich hier nach der Schule und an den Wochenenden aufpassen. Gehst du zur Schule? Ich bin in der First Ward School bei Miss Feather.«
Ich entzog meine Hand ihrem Griff & sagte: »Ich gehe unten in Dayton zur Schule.«
»Lebst du in Dayton?«, fragte sie und klimperte mit den Wimpern.
Für meinen Geschmack stand sie zu dicht bei mir, also trat ich einen Schritt zurück.
Sie machte einen Schritt vor. »Wie alt bist du?«, fragte sie. »Ich bin elf, aber alle sagen, ich sei groß für mein Alter.«
»Ich bin zwölf«, sagte ich und machte noch einen Schritt zurück. Ich fühlte, wie sich etwas in meine Schulterblätter drückte, und begriff, dass sie mich an den hölzernen Indianer gedrängt hatte.
Bee
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