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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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der
Territorial Enterprise
. Ohne auf eine Reaktion zu warten, drückte ich zügig die Klinke herunter und betete zugleich, dass die Tür offen war.
    Zum Glück war sie es. Ich kam sicher hinein.
    Überrascht stellte ich fest, dass die Zeitungsredaktion verlassen und die Washington-Druckerpresse still war.
    Ich ging zum Fenster hinüber und spähte hinaus.
    Wenn ich nach links blickte, konnte ich gerade noch Boz sehen, der an seinem Pfosten lehnte. Rechts sah ich Extra Dub, wie er an der gegenüberliegenden Ecke patrouillierte. Dann wandte ich mich um und nahm das Recorder’s Office auf der anderen Straßenseite in Augenschein. Der ständige Strom von Leuten & Fahrzeugen ebenso wie diePferde, die draußen angebunden waren, verstellten meinen Blick auf die Eingangstür. Aber dann machte einer der Männer sein Pferd los, schwang sich in den Sattel & ritt davon. In diesem Moment entdeckte ich Walt. Er saß mit ausgestreckten Beinen auf einer Bank direkt vor dem Recorder’s Office. Seinen schwarzen Schlapphut hatte er sich über die Augen gezogen, als würde er schlafen. Aber unter seinem Hut konnte ich dann und wann seinen Kiefer auf einem Stück Tabak malmen sehen.
    Er schlief nicht. Er hielt Ausschau nach mir. Und so bald würde er sich nicht von der Stelle bewegen.

KONTOBUCHBLATT 30

    Ich stand am Fenster der
Territorial Enterprise-Zeitung
und spähte hinaus. Ja, es gab keinen Zweifel: Walt und seine Kumpane hatten vor dem Recorder’s Office Stellung bezogen und warteten auf mich.
    Ich dachte darüber nach, was ich als Nächstes tun sollte.
    Vielleicht würde es mir gelingen, in meinem Aufzug als
    Junge aus reichem Hause an ihnen vorbeizukommen.
    Aber was, wenn Walt inzwischen begriffen hatte, dass ich ein Faible für Verkleidungen hatte? Was, wenn er seinen Männern den Befehl gegeben hatte, jeden festzuhalten, der weniger als eineinhalb Meter groß war? Selbst mit meinen neuen Schuhen und dem Bowler war ich weniger als eineinhalb Meter groß.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine Stimme hinter mir.
    Ich drehte mich um und sah einen eigenartig angezogenen Mann durch die Hintertür eintreten. Er knöpfte seine Hose zu, also kombinierte ich, dass er auf dem Lokus gewesen war.
    Er war glatt rasiert, hatte kurze rotbraune Haare, hervorspringende Augenbrauen & trug einen Backenbart unter den Ohren. Seine Hosen waren ihm zu groß, sein Flanellhemd zu klein. Ich konnte Seife & Wäschestärke riechen.
    »Wir haben heute geschlossen«, sagte er in schleppendem Ton.
    Ich sagte: »Ich suche nach Mr Dan De Quille.«
    »Dan ist nicht da.« Der Mann zog eine Pfeife aus seiner Tasche & steckte sie sich in den Mund. Sie war noch nicht angezündet, stank aber bereits, und ich erkannte den Geruch sofort: zur Hälfte Tabak & zur Hälfte die Überreste irgendeines toten Viechs.
    Ich sagte: »Mr Sam Clemens? Sind Sie das?«
    Er kam ein paar Schritte näher & starrte mir ins Gesicht. »P. K. Pinkerton?«, sagte er. »Bist du das?«
    Ich nickte.
    Er lachte vor sich hin & sagte: »Ich habe dich nicht erkannt. Wozu die Verwandlung?«
    »Neue Tarnung«, erklärte ich. »Walt, der Schnitzer, hat mich letzte Nacht gesehen, und er denkt nun, ich wäre ein kleines Mädchen mit einer Vorliebe für Rosa. Diese Aufmachung sollte ich wohl lieber nicht noch einmal benutzen.«
    »Das ist zu schade. Du hast ein ziemlich gewinnendes kleines Mädchen abgegeben. Was mich anbelangt, ich bin rasiert und geschoren, gebadet und entlaust worden. Ich trage neue Sachen, eine Gefälligkeit von Mr Bach, unten im Badehaus Selfridge & Bach. Gefällt dir mein Backenbart?« Er hob sein Kinn und wandte den Kopf zur Seite,um mir sein Profil zu zeigen. »Bach sagt, er sei genau wie der von General Burnside und der letzte Schrei.«
    »Wo ist Dan?«, fragte ich und schaute mich um. »Und all die anderen Reporter? Müssen Sie denn gar keine Zeitung herausbringen?«
    »Die Ausgabe von heute Morgen ist bereits von einem ganzen Heer kleiner Jungs ausgeliefert worden«, sagte er. »Und sonntags publizieren wir nicht, es ist also unser freier Tag. Alle sind entweder zu Hause oder immer noch unten im Old Corner Saloon. Ganz nebenbei, du bist jetzt übrigens berühmt.« Er klopfte mit seiner Pfeife auf eine Zeitung, die aufgeschlagen auf dem großen Tisch lag.
    Ich trat vor und schaute auf die Stelle, auf die er deutete. Es war eine kleine Spalte auf Seite drei.
    Die Überschrift lautete:
    TRAGISCHER DOPPELMORD IN TEMPERANCE
    Und darunter stand:
    Berichte vom Tod des

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