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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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andere hatte auch er es auf mein wertvolles Dokument abgesehen.
    »Was möchtest du trinken?«, fragte er, wobei er die Zigarre aus dem Mund nahm & Asche in den großen Messingaschenbecher tippte.
    »Wasser«, sagte ich.
    Jace sagte: »Niemand trinkt das Wasser aus Virginia. Es ist eine Mischung aus Arsen, Grafit & Kupfervitriol. Es ist nur zum Waschen geeignet.«
    »Dann Kaffee«, sagte ich. »Schwarzen Kaffee.«
    »Stonewall?«, sagte Jace. »Hol uns eine Kanne Kaffee und zwei Tassen und dann setz dich an die Bar und pass auf.«
    »Ja, Boss«, sagte der große Mann.
    Jace schaute mich an, und ich hielt seinem Blick stand. Alles an ihm war gerade wie ein Strich. Seine Nase war gerade, sein Mund war gerade. Sogar seine Augenbrauen waren gerade.
    Ich dachte: Was hat er nur mit mir vor?
    Er zog an seiner Zigarre & blies etwas Rauch gegen die Decke. »Du kommst mir irgendwie bekannt vor. Sind wir uns schon mal begegnet?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich.
    »Du bist undurchschaubar«, sagte er. »Ich kann nicht sagen, was du gerade denkst.«
    »Das ist mein Stachel«, sagte ich. Meine Hände waren kalt, und jetzt, im Sitzen, zitterten mir die Knie.
    »Bitte?«
    »Ein Stachel in meinem Körper. Ich kann nicht erkennen, was andere Menschen empfinden oder denken.«
    Jace nickte ein wenig. »Ich nehme an, das bedeutet, dass du auch Probleme damit hast, deine Gefühle zu zeigen.«
    »Ja, Sir. Außerdem erkenne ich manchmal Menschen nicht wieder, denen ich schon mal begegnet bin. Wenn sie sich einen Bart haben wachsen lassen oder eine andere Frisur tragen, verwirrt mich das. Einmal in Dayton bin ich sogar an meiner Pflegemutter vorbeigelaufen. Sie hatte eine neue Haube aus einem Modegeschäft auf, und da habe ich sie nicht erkannt. Es ist ein Stachel. Ein Stachel & ein Fluch.«
    Jace tippte noch etwas Asche in den Aschenbecher. »Wie heißt du?«
    »P. K. Pinkerton«, sagte ich. Ich nahm an, er würde es sowieso herausfinden.
    Jaces Augenbrauen hoben sich. »Verwandt mit Doc Pinkerton?«
    »Nein, ich bin mit den berühmten Pinkerton-Detektiven aus Chicago verwandt. Allan Pinkerton ist mein Onkel. Mein Pa war sein Bruder Robert. Ich werde selber nach Chicago fahren und für die Pinkerton National Detective Agency arbeiten.«
    »Wir schlafen nie«, sagte Jace.
    Jetzt war ich dran: »Bitte?«, fragte ich.
    »Das ist ihr Motto«, sagte Jace. »Auf ihren Schildern und Briefköpfen. Die Worte ›Wir schlafen nie‹ unter einem Auge. Sie nennen sich selbst Private Eyes.«
    »Ich weiß, dass sie sich Private Eyes nennen«, sagte ich. »Aber das mit dem Motto wusste ich nicht.«
    »Danke, Stonewall«, sagte Jace, als der große Mann eine Blechkanne mit Kaffee & zwei Porzellantassen auf den Tisch stellte. Stonewall füllte die beiden Tassen, schob eine zu Jace, eine zu mir & nahm dann wieder seine Position am Ende der Bar ein.
    Meine Hände waren immer noch kalt. Ich legte sie um die Tasse, um sie zu wärmen.
    Jace legte seine Zigarre am Aschenbecher ab & nahm einen Schluck Kaffee. »P. K.«, sagte er. »Ich glaube, das, was du einen Stachel & einen Fluch nennst, ist in Wirklichkeit ein Segen. Darüber hinaus glaube ich, kann ich dir helfen.«
    »Was meinen Sie damit: Sie können mir helfen?« Meine Hände an der Kaffeetasse waren schon etwas wärmer, aber meine Knie zitterten noch immer.
    Jace nahm seine Zigarre auf & zog wieder an ihr. »Hast du schon mal von einem Kartenspiel namens Poker gehört?«
    »Ja, Sir. Ich hab es ein, zwei Mal gespielt, als wir mit den Planwagen nach Westen unterwegs waren.«
    Jace nickte & atmete Rauch in die Luft. »Wie steht es mit Pharo und Monte?«
    »Davon habe ich gehört, ich kenne aber die Regeln nicht.«
    »Macht nichts. Wenn du Poker verstehst, kannst du auch die anderen Spiele spielen. Hast du schon mal vom Pokerface gehört?«
    »Ja«, sagte ich. »Es bedeutet, dass man mit dem Gesicht nicht verrät, welche Karten man in der Hand hat.«
    Jace rutschte auf seinem Stuhl nach vorn & tippte Asche von seiner Zigarre in den Aschenbecher. »Das trifft es genau. Ein Pokerface ist ein Gesicht, das keinerlei Gefühl zeigt. Keine Freude darüber, dass man einen Royal Flush bekommen hat. Keine Enttäuschung über niedrige, wertlose Karten. Ich habe bisher nur einmal einen Spieler mit einem Gesicht getroffen, das so undurchschaubar war wie deins, und der war ein Indianer.«
    »Ich bin zur Hälfte Sioux.«
    »So was habe ich mir schon gedacht.« Er lehnte sich in seinem Stuhl

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