Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
Vom Netzwerk:
verschob oder ein Stück Holz ins Schwanken geriet. Aber ich fiel nicht.
    Als ich am Boden angekommen war, erhob sich plötzlich ein Junge mit blassen Augen aus einer geduckten Position. Er streckte mir seine Hand entgegen, um mich aufzuhalten. Ich hatte aber noch zu viel Schwung, um stehen zu bleiben. So stießen wir zusammen & fielen beide hin. Ich rappelte mich auf die Füße & wollte gerade weiter den Berg hinunter. Aber jetzt sah ich, dass noch zwei andere Jungs aus der Deckung gekommen waren, um mir den Weg abzuschneiden. Hinter ihnen kam noch ein vierter zum Vorschein.
    Der erste Junge stand wieder auf seinen Füßen, & seine kalten blauen Augen hatten sich zu Gesichtsausdruck Nr. 5 verengt: Misstrauen.
    »Was machst du auf unserer Halde?«, fragte er. »Gehörst du zur Savage-Bande?«
    »Das ist kein Mitglied der Savage-Bande«, sagte ein rothaariger Junge. Er hielt ein Holzscheit von der Länge meines Unterarms in der Hand und schwenkte es wie einen Speer. »Das ist einer von den feinen Pinkeln. Guck, wie der angezogen ist.«
    »Lasst mich durch«, sagte ich. Zwei der anderen Jungs hatten Steine in der Hand. Sie waren höchstens zehn oderelf, aber sie hatten das brutale Aussehen von in die Enge getriebenen Wieseln. Mir fiel ein, dass heute Sonntag war – deshalb waren sie also nicht in der Schule.
    Sie hatten alte Hemden & Hosen an.
    Ich dagegen trug ein gestärktes weißes Hemd, Hosen aus Sergestoff, eine Weste, einen Überrock & einen Bowler. Außerdem meine festen schwarzen Schuhe.
    Zwei von ihnen waren barfuß.
    Ein fünfter Junge kam hinter mir den Schutthaufen heruntergekraxelt & packte meinen rechten Arm direkt über dem Ellbogen.
    »Wir können dich nicht durchlassen«, sagte der erste Junge. »Wir sind die Mexiko-Bande, und du bist auf unserem Gebiet. Du bist unser Gefangener.«
    Es war, als wäre ich schon wieder an Olaf & seine Schlägerfreunde geraten.
    Für so etwas hatte ich heute keine Zeit.
    Ich riss meinen rechten Arm los, zog meinen Revolver aus der Tasche, entsicherte ihn & schoss in die Luft. Er erzeugte unter freiem Himmel und mit dem heulenden Wind keinen allzu lauten Knall, aber er erfüllte seinen Zweck: Die Jungen sprangen zurück. Für einen Augenblick roch ich das Schießpulver, dann fegte der Wind den Rauch davon. Ich spannte meine Pistole erneut & riss sie hin und her, damit sie abwechselnd auf jeden von ihnen zielte.
    Dann sagte ich: »Lasst mich durch.«
    Sie ließen mich durch.
    Als ich unbeschadet an ihnen vorbeigekommen war, sicherte ich meine Smith & Wesson, ließ sie in meine Tasche gleiten & rannte. Ich fühlte mich schlecht, weil icheinen geladenen Revolver auf Kinder in meinem Alter gerichtet hatte. Was hätten Pa Emmet & Ma Evangeline dazu gesagt? Was mein echter Pa? Aber ich hatte eine Mission. Ich musste zum Notar.
    Ich warf einen Blick über meine Schulter. Wie ich befürchtet hatte, folgten mir die Jungs der Mexiko-Bande. Einer von ihnen hatte sich von irgendwoher Pfeil und Bogen besorgt. Ich zog meinen Revolver, aber sie sprangen alle hinter ein Lokushäuschen. So steckte ich meine Waffe wieder ein, drehte mich um & rannte abwärts, schlüpfte zwischen Aborten, Schuppen und Abfallhaufen hindurch, bis ich mich endlich auf der A Street wiederfand.
    Ich war dort, wo ich losgegangen war.
    Ich nahm mir nicht die Zeit, um nachzusehen, ob Walt und seine Gesellen noch immer das Recorder’s Office belagerten. Stattdessen eilte ich über die schlammige Straße und fand zwischen zwei Gebäuden eine Gasse. Ich vermutete, sie würde mich zur B Street führen.
    Ich erreichte eine Weggabelung in Form eines T, an dem sich die Gasse nach links und rechts teilte.
    Als ich gerade herausfinden wollte, welcher Weg der beste sein würde, bohrte sich ein surrender Pfeil in die hölzernen Planken eines Gebäudes vor mir. Das machte mir die Entscheidung leicht. Ich rannte nach links, dann nach rechts & kam neben der Werkstatt eines Hufschmieds auf der B Street wieder zum Vorschein. Gegenüber lag ein Mietstall und daneben der Fashion Saloon. Rechts von mir konnte ich die Flagge erkennen, die zum International Hotel gehörte. Der Sitz des Notars war zwischen mir & der Flagge. Ich war fast am Ziel.
    Ich spürte ein vertrautes Prickeln im Nacken und drehte mich um. Natürlich waren mir noch immer einige Mitglieder der Mexiko-Bande auf den Fersen. Als ich die Hand in meine Tasche steckte, gingen sie sofort hinter der Schmiede in Deckung.
    Je schneller ich zum Notar kam, desto besser.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher