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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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zurück. »Weißt du, P. K., es hat mich Jahre der Übung gekostet, das zu erreichen, worüber du von Natur aus verfügst.«
    Ich sagte: »Aber ein Pokerface ist doch nur dann nützlich, wenn man selber erkennen kann, was andere Leute fühlen. Ich weiß das, weil ich damals ein, zwei Mal mit Leuten gespielt habe – sie haben jedes Mal gewonnen.«
    »Bravo«, sagte Jace. »Du bist ein sehr kluger Junge.«
    »Ja, Sir«, sagte ich. »Klug bin ich. Wenn Sie mir irgendetwas zeigen, vergesse ich es nie wieder. Außerdem kann ich sehr gut Kopfrechnen.«
    Jace hob eine Augenbraue: »Was ist 9 mal 9?«, fragte er.
    »81.«
    »Was ist 30 mal 22 minus 10 & dann geteilt durch 5?«
    »130.«
    »Was ist 138 mal 3567?«
    Ich dachte einen Moment lang nach, wobei ich die Zahlen vor meinem inneren Auge sah. Dann sagte ich: »429 246.«
    »Verd … mt.« Er warf Stonewall einen Blick zu und betrachtete mich dann eine Weile. Dann griff er in seine Brusttasche und zog ein Kartenspiel hervor. Er mischte, teilte sich selbst sieben Karten zu & breitete sie als Fächer in seiner Hand aus. Er drehte seine Hand, zeigte mir die Karten für drei Sekunden & legte sie dann mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch. »Welche Karten habe ich?«, fragte er.
    Ich sagte: »Pik-Dame, Herz-Drei, Karo-Fünf, Karo-Dame, Kreuz-Bube, Pik-Zehn, Pik-Ass.« Während ich die Karten in ihrer richtigen Reihenfolge aufzählte, drehte er sie um und zeigte, dass es stimmte.
    »Verd … mt.«, sagte Jace erneut. »Du bist eine ungeschürfte Ader, P. K. Wenn ich dir beibringen könnte, zusehen, was die Menschen denken, könntest du zum besten Kartenspieler westlich des Mississippi werden.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe meiner sterbenden Ma versprochen, niemals einen Mann umzubringen oder Schnaps zu trinken oder zu spielen.«
    Jace starrte mich eine Weile an. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. »Und hältst du immer dein Versprechen?«, fragte er schließlich.
    »Ich versuch’s.«
    Jace schaute zu Stonewall hinüber & schüttelte den Kopf. »Ein ehrliches Genie, Stonewall. Was für eine entmutigende Kombination.« Stonewall grunzte & nahm einen Schluck Bier. Jace steckte sich die Zigarre in den Mund & warf mir mit schmalen Augen einen Blick zu. »Trinkst du deinen Kaffee noch?«, fragte er auf seine in die Länge gezogene Art. »Oder willst du ihn nur den ganzen Tag umarmen?«
    »Ich mag ihn kalt.«
    Jace nahm die Zigarre aus dem Mund. »P. K.?«, sagte er. »Welcher Körperteil eines Menschen, glaubst du, ist der ehrlichste?«
    »Wie bitte?«
    »Wenn du verstehen willst, was ein Mensch fühlt, wohin schaust du dann?«
    »In sein Gesicht.«
    »Das Gesicht ist der
unehrlichste
Körperteil eines Menschen«, sagte er. »Wohingegen der ehrlichste Körperteil der ist, der am weitesten von seinem Gesicht entfernt ist.«
    »Seine Füße?«, fragte ich.
    Jace nickte. »Seine Füße.«

KONTOBUCHBLATT 34

    Jace machte eine Geste mit seiner Zigarre. »Siehst du die Männer, die da drüben Poker spielen?«
    Ich schaute in die Richtung, in die er mit seinem Kopf gewiesen hatte. Vier gut gekleidete Männer saßen um einen runden Tisch herum. Es konnten Ladenbesitzer oder Bankangestellte sein. Einer von ihnen teilte Karten aus.
    »Beobachte ihre Füße«, sagte Jace.
    Ich tat es. Die Männer nahmen ihre Karten auf & musterten sie.
    »Fällt dir etwas auf?«
    Ich sagte: »Als sie sich ihre Karten angeschaut haben, haben sie alle ihre Füße ein wenig bewegt. Besonders der kahlköpfige Mann mit dem buschigen Schnurrbart. Seine Füße zucken ziemlich oft.«
    Jace nickte. »Seine Füße zucken nicht bloß, sie tanzen. Dieser Mann glaubt, er hätte die Gewinnerhand.«
    »Sie können das an seinen Füßen erkennen?«
    »Natürlich«, erwiderte Jace. »Man tanzt nur, wenn man glücklich ist.«
    »Warum lässt er seine Füße das tun? Werden die anderen Männer es nicht sehen?«
    »Ihm ist nicht bewusst, dass seine Füße tanzen. Seinen Freunden ebenfalls nicht. Sie konzentrieren sich nur auf das, was oberhalb des Tisches stattfindet.«
    Ich starrte hinüber. Es war kaum zu glauben, aber Jace sollte recht behalten, denn wenige Minuten später sackte der glatzköpfige Mann einen Stapel Münzen ein. Keiner der Männer wusste, was seine Füße unter dem Tisch anstellten.
    Jace legte seine Zigarre ab, und ich spürte, wie die Spitze seines Stiefels meine Schuhe streifte, als er sich in seinem Stuhl bewegte & nach vorn rückte. Er legte seine Zigarre vorsichtig auf den

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