Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence

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brauchen würde, um mich zu erkennen.
    »Es ist kein Anzeichen von Furcht an dir«, sagte er. Seine Haut war blass, und über den Ohren trug er graues Haar, aber alles andere an ihm war schwarz: sein Schnurrbart, seine Augen, seine Augenbrauen. Er war sogar komplett in Schwarz gekleidet, vom Hut bis zu den Stiefeln. Der Wind schlug seinen Staubmantel aus Wachstuch gegen die Beine, und als er aufwehte, erhaschte ich einen Blick auf den Walnussgriff einer kleinen Pistole in seiner rechten Hosentasche.
    Er zog eine Zigarre aus seiner Rocktasche & musterte sie. »Wo wolltest du so eilig hin?«, fragte er.
    »Einige Jungs von der Mexiko-Bande sind hinter mir her«, sagte ich. Es war nicht die ganze Wahrheit, aber als ich meinen Blick nach rechts wandern ließ, konnte ich noch zwei von ihnen auf der anderen Straßenseite lauern sehen. Einer hielt seinen Bogen schussbereit, der andere hatte in jeder Faust einen scharfen Stein. Als sie sahen, wie Jace und Stonewall zu ihnen herüberschauten, ergriffen sie die Flucht und wetzten davon.
    »Üble Bengel, in der Tat«, sagte Jace. »Trotzdem hat dein Gesicht eben keine Angst verraten, und auch jetzt, da kaltes Metall gegen deine Stirn gepresst wird, tut es das nicht.« Er riss an der Wand ein Streichholz an, beschirmte die Flamme mit seinen Händen & zündete seine Zigarre an. »Du hast recht, Stonewall«, sagte er schließlich. »Er hat ein besseres Pokerface als ich. Nimm deine Waffe weg.«
    Stonewall sicherte seine Le Mat. »Vermisst du irgendwelche Münzen, Jace?«, brummte er.
    Jace zog einige Male an seiner Zigarre, um sie in Gang zu bringen. »Nein«, sagte er schließlich. »Mein Geld ist vollständig und am Mann.«
    Stonewall grunzte & steckte seine Pistole ins Halfter. Ich bemerkte, dass sie aus blauem Stahl und einem Walnussholzgriff bestand.
    Eine Menge von neugierigen Passanten war stehen geblieben, um uns anzugaffen, auch wenn der Wind dabei ihre Rockschöße & Kleider aufpeitschte.
    Jace zog die Zigarre aus dem Mund & musterte die glühende Spitze. »Nun, da deine Verfolger ihre Jagd eingestellt haben«, sagte er, »kommst du mit hinein und unterhältst dich einen Moment mit mir?«
    Ich schaute sein Gesicht an, konnte aber nicht daraus schlau werden.
    »Hab ich eine Wahl?«, fragte ich.
    Er tippte seinen Hut zurück & blies Rauch in die Luft. »Nein.«
    »Dann komme ich mit.«

KONTOBUCHBLATT 33

    Der Fashion Saloon hatte hölzerne Halbtüren, die in beide Richtungen schwangen. Jace hielt die rechte & Stonewall die linke Tür auf. Ich atmete tief durch & trat ein. Es war schummrig im Inneren, und nach der Helligkeit des Tages brauchten meine Augen ein wenig, um sich daran zu gewöhnen. Sägespäne lagen auf dem Boden, aber der starke Wind hatte sie bereits größtenteils bis ans Ende einer langen Bar geweht, die rechts an der Wand aufragte.
    Schlichte Kieferntische standen gegenüber von der Bar & auch an der Rückwand des Raums. Einige dieser Tische waren rund & einige quadratisch. Es roch nach abgestandenem Bier, Zigarrenrauch & Schweiß. Eine dicke Frau hatte ein Hurdy Gurdy im Schoß & kurbelte aus ihm eine Version von »Camptown Races« heraus. Drei Minenarbeiter tanzten mit Hurdy Girls, die kaum etwas am Leib trugen.
    »Komm schon«, sagte Jace, der den Raum bereits zur Hälfte durchquert hatte. Hier lagen die Sägespäne noch in einer dickeren Schicht. Als ich ihm folgte, dämpften sie die Geräusche meiner schweren Schuhe.
    Jace deutete auf einen Tisch am Ende des Raumes, in der Nähe eines Fensters. Ich sah, dass draußen der Staub durch die Luft wehte & der Hut eines Mannes vorbeiflog.
    Auch Jace sah es: »Verflixte Washoe-Brise«, sagte er. Er zog einen Stuhl für mich hervor.
    Ich zögerte.
    Meine indianische Ma hatte mir beigebracht, immer mit dem Rücken zur Wand zu sitzen, damit sich niemand von hinten an mich heranschleichen konnte. Aber ich glaubte nicht, dass ich in diesem Fall eine Wahl hatte, also nahm ich ohne Protest Platz. Jace setzte sich mir gegenüber. Mir fiel auf, dass er sehr wohl mit dem Rücken zur Wand saß und dass er den Hut auf dem Kopf behielt.
    Ich hörte Lärm hinter mir, drehte mich um und sah, dass der Barkeeper den Eingang von innen mit großen Türen schloss, die bis zum Boden reichten. Als das geschehen war, wurde es im Saloon stiller, aber auch dunkler.
    Ich kam mir vor wie in einer Falle.
    Meine Vermutung war, dass Poker Face Jace den Artikel in der Zeitung gelesen hatte & so darauf gekommen war, wer ich war. Wie jeder