Fluchtpunkt Aqualung
dem ein gekapertes Bordhirnprogramm gerade arbeitete.
Er peilte die Wartungsroboter an – keine Gefahr. Er analysierte die letzten Arbeitsschritte der Spezialisten – sie waren noch weit davon entfernt, ihn zu enttarnen. Also speiste er das Programm ein, das er in den letzten drei Stunden geschaffen hatte. Eine Art Piratenprogramm – es sollte die Navigationsschnittstelle in der Kommandozentrale blockieren. Die Triebwerke zu kontrollieren reichte ihm nicht. Er wollte den Kurs der LAURIN bestimmen. Das Piratenprogramm arbeitete bereits. In wenigen Minuten würde es soweit sein. Zeit genug, die Datenbanken des Bordhirns nach Informationen über die Hauptakteure auf diesem Schiff zu durchforsten.
Daß Merican sich in eine Schaltzentrale der Geheimen Galaktischen Sicherheitsgarde hatte locken lassen, war Heinrich längst klar. Auch wenn er das Verhalten seines Herrn weder billigte noch begriff – wahrscheinlich würde er die Anfälligkeit der Organhirnintelligenzen gegenüber Hormonspiegeln und Gefühlen nie ganz enträtseln. Gleichgültig. Die Frage lautete: Wer genau steckte hinter dieser sorgfältig vorbereiteten Falle? Präziser: Wer steckte hinter Sir Walker Palladei und Lady Josefina Palladei, beziehungsweise hinter Waller Roschen und Anna-Luna Ferròn, wie sie wirklich hießen?
Rasch fand er eine Datenbank mit Personalien. Er traf auf die Namen von Menschen, denen die Republik erst kürzlich das Bürgerrecht entzogen oder nie gewährt hatte. Die Dossiers zu den Namen Tigern und Tellim speicherte er. Bald stieß er auf Geheimdossiers über Besatzungsmitglieder der LAURIN.
Da gab es einen gewissen Carlos Canter, einen nicht ganz fünfzigjährigen Oberst der Geheimen Galaktischen Sicherheitsgarde. Er stammte von Terra Tertia und diente auf der LAURIN als Chefkommunikator. Sein Poträtfoto zeigte ein breites Gesicht mit grauem Schnurrbart, grauen Haarzöpfen und großen goldenen Ohrringen. Die stechenden Augen fielen Heinrich auf. Solange er nicht wollte, würde er sie nie mehr vergessen.
Ebensowenig die anderen Gesichter von Männern, die offensichtlich zum Kommandostab der LAURIN gehörten: Primoberst Taiman Korvac zum Beispiel, fünfundvierzig Jahre alt und Erster Offizier des Schiffes; sein Porträtfoto zeigte einen schmalen Charakterkopf mit seltsam vernarbtem Gesicht und kurzem Schwarzhaar.
Oder Oberst Louis Rombre, einer jener unförmigen Riesen von Fat Wyoming, deren fleischige Gesichter kaum Persönlichkeit vermuten ließen; er war Ende Dreißig, Spezialist für Landungsoperationen und Waffeningenieur; das Dossier bezeichnete ihn als medikamentenabhängig und listete die Zeiten auf, in denen er in psychiatrischer Behandlung gewesen war.
Oder ein Primleutnant namens Herfryd Ulama, ebenfalls Spezialist für Landungsoperationen und Erster Aufklärer der LAURIN; wegen mehrfachen Mordes hatte er zehn Jahre in den Quoditanbergwerken von Krakatau II schuften müssen. Das Foto zeigte einen kräftige Burschen, kahlköpfig, von samtbrauner Hautfarbe und mit ausdruckslosem Gesicht. Auf der LAURIN arbeitete er seit Dezember 2552.
Und endlich einer der beiden Namen, deren Träger den Robotmenschen besonders interessierten: Waller Roschen. Leider machte das Dossier nur sehr knappe Angaben, dafür um so brisantere. Der Mann war 2488 auf Terra Prima geboren worden! Heinrich verharrte ein paar Sekunden lang. Terra Prima – warum verstärkte allein die Buchtstabenkombination schon die Quantenströme in den Tiefen seines Kerns? Und dann: War ihm jemals ein Organhirner über den Weg gelaufen, der von Terra Prima stammte? Er durchforstete seine Datenbanken. Nein, noch nie.
Waller Roschen also. Direktor der Galaktischen Republik Terra ohne Zuständigkeitsbereich in der Zentralverwaltung. So etwas gab es also auch? 2491 Zweiter Kommandeur einer Expedition zum Kugelsternhaufen NGC 5897. Bei einer Raumschlacht mit Schiffen einer unbekannten Zivilisation lebensgefährlich verletzt, behandelt auf Terra Prima …
Schon wieder Terra Prima! Und als Dreijähriger schon stellvertretender Leiter einer außergalaktischen Expedition! Eine Fälschung. Andererseits: eigentlich zu offensichtlich für eine Fälschung.
Heinrich glich die Informationen mit seinen internen Datenbanken ab. War also Roschen die Quelle des fremdartigen und gleichzeitig so vertrauten Signals, das ihn geängstigt hatte, weil es an sein Geheimnis rührte? Er durchforstete das Dossier nach codierten Hintergrunddateien, wurde tatsächlich fündig und stieß
Weitere Kostenlose Bücher