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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ich mir ein Bild machen konnte.
    Kapitel eins war eine Zusammenfassung von Garland Swopes Plan, der Cherimoya-König zu werden. Er benutzte tatsächlich diesen Begriff und hatte sogar kleine Krönchen an den Rand des Textes gemalt. Er umriß die Eigenschaften der Frucht und merkte vor, sie auf ihren ernährungswissenschaftlichen Wert überprüfen zu lassen. Das Kapitel endete mit einer Liste von Adjektiven, wie sie benutzt werden sollten bei der Beschreibung für zukünftige Bezieher: sukkulent, saftig, läßt das Wasser im Mund zusammenlaufen, erfrischend, himmlisch, überirdisch. Der Rest des ersten Bandes und die nächsten neun folgten diesem Muster. Swope hatte im Laufe von zehn Jahren achthundertzwanzig Seiten Text zum Lob der Cherimoya verfaßt, dabei die Wachstumsfortschritte eines jeden Baumes in seiner Plantage notiert und Pläne zur Marktbeherrschung ausgearbeitet. ›Reichtum? Ruhm?
    Was ist wichtiger? Egal, wir werden beides erringen‹.
    In einem der Bände steckten die Rechnung einer Druckerei und eine Musterbroschüre mit überschwenglicher Prosa und Farbfotos, die den Text illustrierten. Ein Foto zeigte Swope, der eine Handvoll der exotischen Früchte in die Kamera hielt. Als junger Mann erinnerte er an Clark Gable: groß, kräftig, mit dunklem, welligem Haar und einem dünnen Schnurrbart. Darunter wurde er als weltbekannter Gartenbauexperte und botanischer Forscher bezeichnet, der sich auf die Züchtung seltener nahrhafter Pflanzen spezialisiert hatte, mit dem Ziel, dem Hunger auf der Welt ein Ende zu setzen.
    Ich las weiter. Es gab ausführliche Beschreibungen von Kreuzungsexperimenten zwischen der Cherimoya und anderen Annonazeen. Swopes Sucht nach minutiös genauen Aufzeichnungen und Berichten schien zwanghaft gewesen zu sein; er listete jede mögliche klimatische und biochemische Veränderung auf. Am Schluß freilich verließ er den wissenschaftlichen Boden mit der Bemerkung, daß ›keine Hybride die Perfektion der a. cherimoya erreichte‹. Sein Optimismus fand ein abruptes Ende in Band zehn. Das erste Kapitel begann mit einem Zeitungsausschnitt, in dem der ungewöhnliche Frost beschrieben wurde, welcher den Cherimoya-Hain zerstört hatte. Es gab Beschreibungen der landwirtschaftlichen Schäden, die durch die kalten Winde entstanden waren, und der vermuteten Preiserhöhungen für Lebensmittel - alles Ausschnitte aus Zeitungen, die in San Diego erschienen waren. Der Clarion von La Vista hatte einen höchst betrüblichen Bericht über das Schicksal der Swopes veröffentlicht. Die nächsten zwanzig Seiten des zehnten Bandes waren mit fahrigen, obszönen Kritzeleien gefüllt, wobei das Papier oft bis zum Zerreißen beansprucht worden war; der Kugelschreiber war zu einer Waffe geworden, die auf das Papier einstach und versuchte, es zu zerreißen.
    Dann folgten neue Experimentaldaten.
    Während ich die Seiten umblätterte, begann ich nach und nach Garland Swopes Faszination für das Groteske, für die Mißgeburten und die Todesbringer zu begreifen. Es fing an mit theoretischen Bemerkungen über Mutationen und ausschweifenden Hypothesen über deren ökologischen Wert. Und mitten im elften Band stand die erschreckende Antwort, die Swope auf seine Fragen gefunden hatte:
    ›Die dem Sinn des Lebens zutiefst widerstrebenden Mutationen einer ansonsten zahmen Spezies sind der Beweis für einen grundlegenden Haß des Schöpfers, der sich gegen seine Geschöpfe richtete.‹
    Die Notizen wurden immer zusammenhangloser und wirrer, je komplizierter die Materie war, mit der sich Swope befaßte. Manchmal war seine Handschrift so fahrig, daß man sie kaum entziffern konnte, aber ich kam doch dem meisten auf den Grund: Berichte über Gifttests mit den jeweils tödlichen Mengen für Mäuse, Tauben und Spatzen; die sorgfältige Auswahl deformierter Früchte zur genetischen Kultur; das Aussondern des Normalen und die Unterstützung des Fehlerhaften. Das alles war Teil einer geduldigen, methodischen Suche nach dem äußersten Horror auf dem Gebiet des Gartenbaus.
    Und dann entdeckte ich eine bemerkenswerte Wende bei meiner Reise durch Swopes schriftlich niedergelegte Gedanken. Im ersten Kapitel von Band zwölf schien er seine Besessenheit fürs Morbide aufgegeben und wieder begonnen zu haben, an den Annonazeen zu arbeiten, wobei er sich auf einige Spezies konzentrierte, die Maimon nicht erwähnt hatte:
    annona zingiber. Er hatte eine Reihe von Befruchtungsexperimenten durchgeführt und jeweils sorgfältig Datum und

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