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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Schnute und drückte sich wieder an mich. Ihre Haut war mit einem billigen Cologne getränkt.
    »Sei doch nicht so wütend, Blauauge. Es ist doch nichts Schlimmes dabei.« Sie klimperte mit den Wimpern. »Ich zieh mich aus, und du kannst alles mit mir machen. Und dann mach’ ich dich fertig, wie du es nie erlebt hast.«
    Wieder versuchte wie, das Blut an meiner Wange abzulecken. Ich ließ ihr eines Handgelenk los und gab ihr eine Ohrfeige.
    Sie taumelte rückwärts, wie betäubt, und schaute mich überrascht wie ein kleines Mädchen an.
    »Sie sind ein menschliches Wesen«, sagte ich. »Kein Stück Fleisch.«
    »Ich bin nichts als eine Hure!« schrie sie, zerrte an ihrem Haar und riß sich die langen ingwerfarbenen Strähnen los.
    »Nona…«
    Sie zitterte und formte die Hände zu Klauen. Doch diesmal waren sie gegen ihr eigenes Fleisch gerichtet, schienen bereit, dieses wunderschöne Gesicht zu zerkratzen und aufzureißen.
    Ich packte sie wieder und hielt sie fest. Sie kämpfte, fluchte und explodierte schließlich in heftigem Schluchzen. Danach schien sie sich einzurollen und zu schrumpfen, während sie still an meiner Schulter weinte. Als keine Tränen mehr kamen, sank ihr Kopf betäubt gegen meine Brust, und ihr Körper wurde schlaff.
    Ich trug sie zu einem Stuhl, setzte sie, wischte ihr das Gesicht mit einem Papiertaschentuch ab und preßte ein zweites gegen die Wunde an meinem Gesicht. Sie hatte fast aufgehört zu bluten. Ich hob das Messer auf und warf es wieder in die Spüle.
    Sie starrte auf den Tisch. Ich nahm ihr Kinn in meine Hand, hob den Kopf nach oben. Die tintenschwarzen Augen waren glasig und konnten sich nicht auf ein Objekt konzentrieren.
    »Wo ist Woody?«
    »Da drüber«, sagte sie tonlos. »Er schläft.«
    Sie erhob sich unsicher. Ein halb zerfetzter Duschvorhang aus Plastik teilte die beiden Räume des Wohnwagens. Ich ging mit ihr hinüber.
    Der hintere Raum war muffig, schwach erleuchtet und mit Flohmarktmöbeln ausgestattet. Die Wände waren mit falscher Birke furniert und wiesen unzählige Kratzer auf. Der Kalender einer Tankstelle hing schief an einem gebogenen Nagel. Auf einem Plastiktisch stand ein Digitalradiowecker. Auf dem Boden lag ein Stapel Jugendzeitschriften. Ein blaues Velourssofa war zu einem Doppelbett ausgeklappt.
    Woody schlief unter einer ausgeblichenen grünen Decke, und seine kupferfarbenen Locken breiteten sich auf dem Kissen aus. Neben dem Bett stand ein Nachttisch mit Comicheften, einem Spielzeug-Lastwagen, einem angebissenen Apfel und einem Fläschchen mit Tabletten. Vitamine.
    Der Junge atmete regelmäßig, aber mühsam. Seine Lippen waren geschwollen und trocken. Ich berührte seine Wange.
    »Er ist sehr heiß«, sagte ich.
    »Es wird bestimmt besser«, verteidigte sie sich. »Ich gebe ihm Vitamin C dafür.«
    »Hat es denn geholfen?«
    Sie wandte sich ab und schüttelte den Kopf.
    »Er muß unbedingt in ein Krankenhaus, Nona.«
    »Nein!« Sie beugte sich hinunter und nahm seinen kleinen Kopf in ihre Arme. Drückte ihre Wange an die seine und küßte seine Lider. Er lächelte im Schlaf.
    »Ich rufe einen Krankenwagen.«
    »Wir haben kein Telefon hier«, erklärte sie mit kindischem Triumph.
    »Gehen Sie und suchen Sie eins. Wenn sie zurückkommen, sind wir längst weg.«
    »Er ist schwerkrank und hat hohes Fieber«, sagte ich geduldig. »Jede Stunde Verzögerung bringt ihn in größere Gefahr. Wir fahren zusammen, in meinem Wagen. Packen Sie Ihre Sachen.«
    »Sie tun ihm doch nur weh!« schrie sie. »Genau wie vorher. Sie stecken ihm Nadeln in die Knochen und sperren ihn in dieses Plastikgefängnis.«
    »Hören Sie mir zu, Nona. Der Junge hat Krebs. Er wird daran zugrunde gehen, wenn Sie nichts unternehmen.«
    Sie wandte sich ab.
    »Das glaube ich nicht.« Ich hielt ihre Schultern.
    »Sie müssen es glauben. Es ist wahr.«
    »Warum? Weil dieser Mex-Doktor es gesagt hat? Er ist wie alle anderen. Man kann ihnen nicht trauen.« Sie stemmte eine Hand in die Hüfte, wie sie es auf dem Korridor im Krankenhaus getan hatte.
    »Warum soll er Krebs haben? Er hat nie geraucht oder sonst irgendwelche Gifte bekommen. Er ist doch noch ein Kind.«
    »Auch Kinder bekommen Krebs. Tausende, jedes Jahr. Niemand weiß, warum, aber es ist so. Aber man kann fast alle behandeln und einigte sogar für immer heilen. Woody gehört zu ihnen. Geben Sie ihm eine Chance.«
    Sie zog störrisch die Stirn in Falten.
    »Dort vergiften sie ihn nur.«
    »Man braucht starke Medikamente, um die

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