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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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elementarsten Form von Inzucht.
    Jeden Tag hatte er gewartet, bis sie aus der Schule kam, hatte sie an der Hand genommen und sie ins Dunkel geführt. Die Decke auf dem Boden ausgebreitet, der weich war von Tannennadeln. Ein beiläufiges Abtun ihrer Proteste.
    Die Abende waren der Aufzeichnung der Daten und Fakten gewidmet: Er kletterte hinauf in den Speicher und notierte jede Vereinigung in seiner Loseblattsammlung, sparte kein Detail aus. Genau wie bei jedem anderen seiner Experimente.
    Wenn man den Notizen glauben konnte, hielt er seine Frau über den Fortgang des Experiments auf dem laufenden. Anfangs hatte sie vielleicht schwach protestiert, dann geschwiegen und seinen Anordnungen Folge geleistet.
    Es war kein Versehen, daß das Mädchen schließlich geschwängert wurde. Im Gegenteil, es war Swopes letztes Ziel gewesen, geplant und kalkuliert. Er war geduldig und methodisch vorgegangen, hatte gewartet, bis sie ein wenig älter war - vierzehn -, um sie so zu befruchten, daß die Gesundheit des Fetus in optimaler Weise gewährleistet war. Er überprüfte und notierte ihren Menstruationszyklus, um den Zeitpunkt des Eisprungs genau festlegen zu können. Und er hielt sich mehrere Tage davor vom Geschlechtsverkehr zurück, um die Zahl der Spermien zu erhöhen.
    Es hatte schon beim erstenmal geklappt. Er hatte gejubelt, als ihre Monatsblutungen ausblieben, als ihr Leib zu schwellen begann. Eine neue Kulturvarietät war geschaffen.
    Ich berichtete ihr, was ich wußte, wobei ich es vorsichtig ausdrückte und hoffte, daß mein Mitgefühl dabei deutlich wurde. Sie hörte mit ausdruckslosem Gesicht zu und trank Bourbon, bis ihr die Augenlider zufielen.
    »Er hat sie zu seinem Opfer gemacht, Nona. Hat Sie mißbraucht und weggeworfen, als das Experiment vorüber war.«
    Sie nickte kaum merklich.
    »Sie müssen völlig verstört gewesen sein, als sie merkten, daß Sie in Ihrem Alter schwanger waren. Und als Sie weggeschickt wurden, um das Kind heimlich auszutragen und zu gebären.«
    »Ein Haufen Lesben«, murmelte sie, und ihre Worte klangen schleppend. »Im Madronas?«
    Sie trank einen Schluck.
    »Scheiße, ja. Das Scheiß-Madronas-Heim für verdammte, verfickte kleine Mädchen. In Scheiß-Mexiko.« Ihr Kopf fiel auf die Seite. Sie griff nach der Flasche. »Große, fette Mex-Fotzen, schreien uns an und kommandieren - auf scheiß-mexikanisch! Und schikanieren uns. Und sagen, daß wir Dreck sind. Huren.«
    Maimon hatte sich lebhaft an den Morgen erinnert, als sie die Stadt verließ. Hatte geschildert, wie sie mit ihrem Koffer auf der Straße wartete. Ein erschrecktes kleines Mädchen, dem man alle Bosheit ausgeprügelt hatte. Das für die Sünden der anderen büßen sollte.
    Als sie zurückkam, war sie verändert, hatte er gesagt. Stiller, zurückhaltender. Aber zornig.
    Jetzt begann sie zu sprechen, leise, betrunken.
    »Es hat so furchtbar weh getan, den kleinen Jungen herauszudrücken. Ich habe geschrien, und sie haben mir den Mund zugehalten. Ich habe gedacht, es zerreißt mich. Als es vorbei war, haben sie mich den Kleinen nicht einmal halten lassen. Sie haben ihn mir einfach weggenommen. Mein Baby, und sie haben es mir weggenommen. Ich hab’ mich mühsam hochgesetzt, damit ich es anschauen kann. Es hat mich fast umgebracht. Er hatte rotes Haar, genau wie ich.«
    Sie schüttelte verwundert den Kopf.
    »Ich dachte, ich könnte ihn behalten, als ich wieder heimgekommen bin. Aber er hat gesagt, das sei ausgeschlossen. Und daß ich gar nichts bin. Nur ein Gefäß. Komisches Wort für Fotze. Zu nichts gut, außer zum Ficken. Und er hat mir gesagt, ich bin gar nicht wirklich seine Mama. Sie hat so getan, als wenn sie seine Mama wäre. Und ich war die Fotze - verbraucht, also fort in den Abfalleimer. Zeit, daß die Erwachsenen sich darum kümmern…«
    Sie legte den Kopf auf den Tisch und begann zu wimmern.
    Ich massierte ihr den Nacken, sagte beruhigende Dinge. Selbst in diesem Zustand reagierte sie deutlich auf die Berührung eines Mannes, hob das Gesicht und zeigte mir ein trunkenes, lockendes Lächeln, beugte sich nach vorn, um mir einen Blick auf ihre Brüste zu gönnen. Ich schüttelte den Kopf, und sie wandte sich beschämt ab.
    Sie tat mir so unendlich leid, daß es fast schmerzte. Ich hätte ihr hilfreiche Worte sagen können, aber jetzt mußte ich sie erst einmal manipulieren. Der Junge nebenan brauchte Hilfe. Ich war bereit, ihn gegen ihren Willen mitzunehmen, wollte aber eine neuerliche Entführung vermeiden, wenn es

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