Flügel aus Asche
sah die Flammen zwischen den Gebäuden aufzüngeln, betrachtete die schwarze Verwüstung, die das Feuer bereits angerichtet hatte, und roch den beißenden Rauch. Die kummervollen Augen eines toten Mannes verfolgten ihn.
Jemand rüttelte an seiner Schulter. Adeen schälte sich aus der Decke: Es war Yoluan, der eine Lampe in der Hand hielt. Um seinen Kopf war ein Verband gewickelt. Er hatte die lederne Klappe vor dem Eingang des Zelts hochgerollt, und trübes Mondlicht fiel herein. Abgesehen von ihnen beiden befand sich niemand im Zelt, auch Talanna nicht. Die Soldaten waren ebenfalls fort. Ein Geruch nach Rauch und Zerstörung hing in der Luft, ganz wie in seinem Traum.
»Du musst aufstehen«, sagte Yoluan, »die Königin will, dass du sie zu den Verhandlungen begleitest. Wie fühlst du dich?« Er grinste Adeen an. »Sie sagen, dass du verletzt bist. Tut es noch weh? Du bist ein Held, weißt du das? Im ganzen Lager reden sie über dich. Sie haben sogar Wachen vor dem Zelt aufgestellt, damit dich niemand stört. Aber mich haben sie zu dir geschickt, weil wir ja Freunde sind. Liebe Güte, ich bin so stolz auf dich! Es ist, als ob du den Herrscher selbst umgebracht hättest, du und auch Talanna natürlich. Hättest du das geglaubt, als wir von Gabta runtergesprungen sind? Bernon behauptet, die Königin hat gesagt …«
Er redete weiter, begrub Adeen unter einem Schwall von Worten, die ihm nichts bedeuteten. Adeen runzelte die Stirn. Alles, Yoluans Gesicht und sogar der Mond schienen unter einem matten Grauschleier verborgen. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass es nicht seine Benommenheit war, die ihm etwas vorgaukelte. Rauch hüllte die Welt ein, tränkte sie mit ihrem Gestank und raubte ihr Farben und Formen.
»Danke, Yoluan. Mir geht’s gut.« Adeen zwang sich, von der Pritsche aufzustehen. Alles tat ihm weh, vor allem Schultern und Rücken, und er konnte seine Beine nur mit Mühe überreden, sich zu bewegen. Dass er so steif war, hatte er in der Nacht noch nicht bemerkt. »Was ist mit dir? Dein Kopf …«
»Keine Sorge. Das wird schon wieder.«
»Wo ist Talanna?«
»Die Königin wollte, dass sie einen besonderen Auftrag für sie ausführt. Tut mir leid, mehr weiß ich nicht.«
Es gefiel Adeen nicht sonderlich, das zu hören. Nun waren er und Talanna wieder getrennt, und wer wusste, welcher Gefahr sie sich aussetzte, während er geschlafen hatte! Yoluan schien seine Besorgnis zu bemerken. »Mach dir keine Sorgen, Adeen. Bisher ist sie doch immer zurückgekommen, oder? Bernon sagt –«
»Wer ist denn eigentlich Bernon?«
»Er ist Mitglied der königlichen Wache«, erklärte Yoluan bereitwillig. »Stimmt, du kennst ihn ja noch gar nicht. Er ist nett und spricht ein bisschen unsere Sprache. Komm mit.«
Lange konnte Adeen nicht geschlafen haben, das verrieten ihm das Pochen in seinem Kopf und seine brennenden Augen. Kurz blieb er stehen, um in die Ferne zu spähen. Trotz der Dunkelheit zeichnete sich Rashija auf dem Berg deutlich ab, denn die Stadt war von dem roten Glühen der Flammen eingeschlossen. Schwach drang Kampflärm herüber, ein Rauschen, in dem einzelne Stimmen oder die Geräusche der Waffen nicht herauszuhören waren.
Die Königin hatte recht gehabt. Jetzt, da die Bewohner von Rashija die Wahrheit über den Herrscher und sein Regime wussten, versank die Stadt im Chaos. Er fragte sich, wie es Kuama ergangen war.
»Adeen?«
Yoluans Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er wandte sich zu seinem Freund um. »Ja?«
»Du hattest doch Gelegenheit, dir den Herrscher genauer anzuschauen – wie hat er ausgesehen? Weißt du, ich hab in Rashija gelebt, seit ich klein war, und hab immer nur Geschichten über ihn gehört.«
»Wie ein Toter, Yoluan, sonst nichts. Ein Toter in einer prachtvollen Robe, ganz schwarz und vertrocknet. Wir haben ihn nur erkannt, weil ihm drei Finger fehlten, wie auf den Bildern.«
»Es ist ein Jammer, dass er hinüber ist. Ich hätt ihn mit Vergnügen selbst totgeschlagen. All das ist ja seine Schuld – wie’s den armen Leuten in Rashija schlechtging, was sie dir angetan haben, und dann natürlich noch Nemiz’ Tod. Und wir können es ihm nicht mal heimzahlen.«
Yoluans sonst so gutmütiges Gesicht hatte sich im Mondlicht zu einem Ausdruck verzerrt, den Adeen noch nie an ihm wahrgenommen hatte. In seinen Augen glänzte das Weiße, er wirkte fast so bösartig wie Keyla oder Nemiz, wenn sie sich in Rage geredet hatten. »Das Verrückte ist«, sagte Adeen nachdenklich,
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