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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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bildeten verschwommene Formen. Waren es Bäume? Adeen hatte bereits Bäume aus der Nähe gesehen, denn einige wenige klammerten sich vor den Häusern der Reichen in das dünne Erdreich. Wie mochte es sein, wenn man auf dem Boden in einem Wald stand? Sah es aus wie auf diesem Bild, schoben sich die Bäume zu einer dunklen Masse aneinander und verbargen den Himmel mit ihren Zweigen? Und, oh, die Farben! Graugrün und Blaugrün und Schwarzgrün, und dazwischen fremdartige Gebilde in einem sanften Rotton …
    Es ist ein gutes Grün. Es wird dir nicht weh tun.
Adeen hatte keine Ahnung, woher sich diese sonderbaren Gedanken auf einmal in seinem Kopf formten – waren es Erinnerungsfetzen?
Es gab ein anderes Grün, beißend hell, es hat mich angesprungen, es brannte …
    Unwillkürlich streckte er die Hand aus und berührte das Bild. Ihm war, als könne er nach den Bäumen greifen, sie mit seiner Berührung real werden lassen, aber er strich nur über bemalte Leinwand.
    Mit lautem Knall explodierte etwas neben ihm, und er wurde rückwärts vom Wagen auf die Straße geschleudert. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen. Benommen richtete er sich auf und sah, dass der Straßenbelag wenige Schritte neben ihm aufgerissen war und qualmte.
Magie.
Beinahe hätte der Zauber ihn getroffen!
    Hinter ihm zischte die Skada, bäumte sich auf, ging mit gestrecktem Hals durch und riss den Wagen mit sich. Auf einmal blitzten Waffen auf, blauweiße Lichtreflexe zuckten durch die Nacht. Adeen sah Nemiz mit gebleckten Zähnen, eine schlanke Klinge in der Hand, wie er Befehle brüllte, doch er hörte die Worte nicht: Das Rauschen in seinen Ohren übertönte alle anderen Geräusche. Er folgte Nemiz’ Blick, blinzelte, wollte seinen Augen nicht trauen, als das, was er nur für einen schwachen Glanz in der Dunkelheit gehalten hatte, zu einer rotsilbernen Gestalt zusammenfloss.
    Charral.
    Dort stand er auf der Straße, umgeben von zehn oder mehr Wachen. Er trug keinen Helm, und sein helles Haar schimmerte im Schein der Laterne. In der Hand hielt er einen Stab, gespickt mit Blutkristallen, wie ihn nur die hohen Offiziere des Herrschers besaßen. Es hieß, diese Waffe sauge Lebenskraft direkt aus den Gegnern und führe sie ihrem Träger als Magie zu. Einer der Kristalle war durch den Schadenszauber zersplittert, dessen Explosion Adeen gestreift hatte, und feiner rötlicher Qualm stieg von der Spitze des Stabes auf.
    Einen Moment lang zögerte Nemiz. Adeen sah, wie seine Augen schmal wurden, während er die Lage einschätzte, doch dann schob er zwei Finger in den Mund. Sein gellender Pfiff durchdrang sogar das Dröhnen in Adeens Kopf.
    Die Rebellen wirbelten davon wie Lumpen im Wind. Diejenigen, die gerade aus der Lagerhalle kamen, ließen fallen, was sie trugen, und versuchten, in eine der Seitengassen zu gelangen. Gleichzeitig zerstreuten sich Charrals Wachen und setzten den Fliehenden nach. Viele schleuderten Zauber, die krachend ins Straßenpflaster einschlugen und Steinsplitter nach allen Seiten davonschießen ließen. Die Luft vibrierte von zornigen Rufen und Schmerzensschreien und war erfüllt vom scharfen, metallischen Gestank der Magie.
    Auch Adeen rannte. Seine Beine bewegten sich wie von allein. Dann sah er, dass sich ein Mann direkt neben ihm auf dem Straßenpflaster wand. Es war der magere Junge, der Rasmi die Fackel gegeben hatte, und er war voller Blut. Adeen sah ihn schreien, aber der Lärm übertönte seine Stimme. Obwohl Adeens Herz vor Angst hämmerte, konnte er nicht vorbeilaufen. Er bückte sich zu ihm hinab, packte den Burschen unter den Armen und versuchte, ihn wegzuziehen. Doch eine plötzliche Erschütterung warf ihn zurück, eine magische Explosion blitzte auf, und für einen Moment war er blind. Als er wieder sehen konnte, rührte sich der Verletzte nicht mehr.
    Im nächsten Augenblick packte ihn jemand am Arm und zerrte ihn mit sich. Adeen erkannte Rasmis weißes Haar, und Erleichterung überkam ihn. Dankbar überließ er sich der Führung des alten Mannes. Die Straße schwankte unter seinen Füßen, schien sich aufzubäumen, das Rauschen in seinen Ohren wurde zu einem durchdringenden Pfeifton. Nur mit Mühe hielt er sich auf den Beinen. Er wusste kaum noch, wo oben und unten war, nur, dass er nicht stehen bleiben durfte, und so stolperte er weiter.
    Mein Kopf. Irgendetwas muss mich am Kopf getroffen haben – vorhin schon, bei der Explosion.
    »Stehen bleiben!«, rief jemand hinter ihnen. Noch im selben

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