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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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Augenblick ertönte ein grässliches, prasselndes Geräusch, eine Welle aus gleißend blauweißem Schmerz riss Adeen von den Füßen und warf ihn aufs Pflaster.
    Die Welt erlosch.
    Als Adeen die Augen öffnete, schmeckte er Blut und etwas anderes, Bitteres. Funken wirbelten vor ihm, er spürte Hitze im Gesicht, roch Qualm. Irgendwo loderten Flammen, ganz nah. Er musste hier weg! Doch sein Körper schien sich nicht daran zu erinnern, wie er funktionierte, jede Bewegung dauerte so lange … was war überhaupt passiert?
Die Lagerhalle, die Bilder, Charral …
    Rasmi.
    Die Angst verlieh Adeen neue Kraft. Schwankend kam er auf die Beine und hustete, als er Rauch einatmete. Sein Kopf dröhnte, und als er sein Gesicht berührte, war es feucht von Blut.
    Flammen schlugen aus dem Dach eines nahen Hauses. Mit lautem Knistern fraßen sie sich in die Balken und tauchten die Gasse in ihr zuckendes, rotes Licht. Wahrscheinlich hatte ein verirrter Feuerzauber das Dach in Brand gesetzt. In der Nähe hörte Adeen Stimmen und erkannte Charrals zornigen Befehlston, doch die Straße war leer. Der Kampf musste sich an einen anderen Ort verlagert haben. Vielleicht hatten die Rebellen einen Gegenangriff gewagt. Oder war es ihnen gelungen, sich rechtzeitig zurückzuziehen? Adeen würgte und bemühte sich darum, auf den Füßen zu bleiben. Er fühlte sich schrecklich hilflos. Charrals plötzliches Auftauchen ließ ihn ahnen, dass sie von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg gehabt hatten. Vor seinen Augen schien sich die Welt aufzulösen in Ascheflocken.
    Dann sah er Rasmi, nur wenige Schritte neben sich, ein schmaler, regloser Körper, schwarz im Feuerschein. Er lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, mit offenen Augen. Zwischen seinen Schultern klaffte ein Loch, umrahmt von zerrissener und verkohlter Kleidung. Blut war nirgends zu sehen. Adeen trat einen Schritt auf ihn zu, dann noch einen – er wusste, dass Rasmi tot war, aber er konnte es nicht fassen. Rasmis Körper sah so fremd aus, wie er dalag, gar nicht mehr wie ein Mensch. Als wäre es nur ein Bündel Lumpen, das man auf die Straße geworfen hatte. Ein Luftzug bewegte sein weißes Haar.
    Adeen sank auf die Knie. Es musste ein Blitzzauber gewesen sein. Es hieß, dass einem das Herz sofort stehenblieb, wenn diese Magie direkt in den Körper einschlug. Der Zauber … er hatte selbst gespürt, wie er getroffen und von den Füßen gerissen worden war, aber er lebte noch, und Rasmi war tot. Die Gedanken wanderten durch seinen Kopf, immer und immer wieder, ohne dass er wirklich verstand, was geschehen war. Das Prasseln der Flammen, die Stimmen der Soldaten in den benachbarten Gassen, der Kampf, alles war plötzlich weit weg. Es betraf ihn nicht mehr. Die Welt war zusammengeschrumpft auf dieses Stück Straße, wo er neben Rasmis Leiche kauerte und den Blick nicht von ihr lösen konnte. Er empfand nichts, als hätte die Leere, die er in Rasmis Augen sah, auch ihn erfasst.
    »He! Adeen! Bist … bist du das?«
    Der Schreck zuckte durch Adeens Körper, als er die Stimme hörte, mehr ein mühsames Krächzen als Worte. Schnell sprang er auf.
    »Keine Angst, ich bin es, Nemiz … komm her, du musst mir helfen!«
    Nemiz? Einen Moment lang schien sich Adeen weder an den Namen noch an die Stimme erinnern zu können. Doch dann bemerkte er einige Meter entfernt in den Schatten eine Bewegung auf der Straße. Jemand kroch über das Pflaster auf ihn zu. Der Mann zog sich mit den Armen voran und schleifte die Beine nach, sein Gesicht, schwarz von Ruß, war zu einer Grimasse verzerrt. Auf seiner Haut glänzte Blut, rings um den Kopf stand ihm das versengte Haar ab. Einen Moment lang kämpfte Adeen gegen die Übelkeit an. Aber genauso groß wie das Erschrecken war seine Erleichterung, einen lebendigen Menschen zu sehen, gleichgültig, wie übel er zugerichtet war. Er wollte Nemiz’ Namen rufen, doch obwohl sich seine Lippen bewegten, bekam er keinen Ton heraus.
    »Deinen Arm!«, keuchte Nemiz. »Schnell! Stütz mich! Mein Bein … will nicht …«
    Für Adeen sah es eher so aus, als ob ihm beide Beine den Dienst versagten. Als sich der Mann an ihm festklammerte, verflog seine Abscheu. Nemiz war trotz seiner Verletzungen tröstlich stark und lebendig. Irgendwie gelang es ihm, sich an Adeen hochzuziehen. Er schlang ihm einen Arm um die Schultern und hielt sich mühsam auf einem Bein aufrecht. »Die verfluchten Magier!«, zischte er Adeen ins Ohr. »Aber so schnell kriegen die mich nicht klein!«

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