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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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Helligkeit stach in seine Augen, aber Adeen wusste, das würde dafür sorgen, dass der Traum nicht zurückkehrte. Ein Traum? Noch immer spürte er deutlich den Schmerz zwischen seinen Rippen, wo ihn der Vogelschnabel getroffen hatte, er roch noch den Rauch, der seinen Flügeln anhaftete …
    Wo war er? Er lag auf einer Schlafmatte am Boden, zugedeckt mit zwei ausgefransten Decken, und sah auf eine graue Steinwand, von der Putz bröckelte. Davor bildete feiner, weißer Rauch filigrane Muster. Adeen brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es die Wärme seines Atems war, die diese Spuren in der kalten Luft zurückließ. Unvermittelt kehrte die Erinnerung zurück: Er hatte sich den Rebellen angeschlossen, hatte versucht, Bilder aus alter Zeit zu retten … was war dann geschehen? Noch sah er Rasmis reglosen Körper auf der Straße vor sich, einen Busch voller weißer Beeren auf dem Dach eines verfallenen Hauses, oder hatte er auch davon nur geträumt? Sein Kopf tat weh, und alles verschwamm im Nebel.
    Aber er lebte. Vorsichtig bewegte Adeen eine Hand, erleichtert, dass sie seinem Willen gehorchte, und tastete über sein Gesicht. Es war voller Schorf, und um seinen Kopf hatte jemand einen straffen Verband gewickelt. Seine Schreiberrobe, die er noch immer trug, war von Flecken und Brandlöchern übersät, aber eine geschickte Hand hatte die gröbsten Risse geflickt.
Ich bin nicht allein. Jemand kümmert sich um mich.
Die Erkenntnis hatte etwas Tröstliches. Adeen sammelte Kraft und stemmte sich hoch. Er fröstelte, und der Raum schien unter seinen Füßen zu schwanken, aber er widerstand der Versuchung, sich wieder auf die Schlafmatte zu legen. Er musste wissen, was passiert war.
    Das Zimmer maß nur drei oder vier Schritt, Feuchtigkeit zeichnete große, dunkle Flecken auf die Wände und den Boden. Die Wand enthielt zahlreiche Nischen, alle leer, und neben der Schlafmatte türmten sich Holzkisten, die ebenfalls leer waren. Viele sahen aus, als hätte man sie mit Gewalt aufgebrochen. Anstelle einer Tür gab es nur einen Durchbruch, zugehängt mit Lumpen. Das Licht drang durch Fensterschlitze hoch oben in den Wänden. Durch diese Öffnungen schoben sich auch Wurzeln und suchten Halt im Mauerwerk. Es roch feucht nach Herbst und Erde. Aus alldem schloss Adeen, dass er sich in einem Kellerraum befinden musste – aber wohin hatte man ihn gebracht?
    Eine umgestülpte Kiste, auf die man eine fleckige Holzplatte gelegt hatte, diente als Tisch. Darauf standen ein Tonkrug und mehrere Becher. Adeen spürte, wie durstig er war. Er traute seinen Beinen noch nicht recht, doch sie trugen ihn zuverlässig, wenn auch etwas zittrig zu der Kiste, und gleich darauf schüttete er Wasser in sich hinein. Er hatte es so eilig, dass er sich verschluckte und husten musste.
    »Langsam, Junge! Du erstickst noch!«
    Die kratzige Stimme ließ Adeen vor Schreck zusammenzucken. Fast hätte er den Becher fallen gelassen. In der Türöffnung stand eine magere alte Frau, die ihm nicht einmal bis zur Schulter reichte. Sie hatte ein Tuch um den Kopf gewickelt, darunter sahen weiße Haarsträhnen hervor, die aussahen wie ungesponnene Wolle. Ihre Knöchel, die in mehreren Schichten ausgebeulter Socken verschwanden, waren dünner als Adeens Handgelenke. »Ausgeschlafen?«, fragte sie freundlich.
    Er verkrampfte sich, ballte die Fäuste, denn er erkannte ihr Gesicht wieder – sie war es, die ihm ein Messer an die Kehle gesetzt hatte! Als sie sein Erschrecken bemerkte, trat sie einen Schritt zurück. »Keine Sorge, Junge. Ich tu dir nichts. Wir stehen auf derselben Seite.«
    Adeen holte tief Atem, und sein Herz schlug allmählich wieder ruhiger. Diese Frau sah nicht aus, als hätte sie böse Absichten, und das Messer war diesmal auch nirgends zu entdecken. Dennoch blieb er misstrauisch. »Wo bin ich?«, fragte er. Seine Stimme klang heiser in seinen Ohren.
    »In Sicherheit«, erwiderte sie, »wenn man überhaupt irgendwo in dieser Stadt sicher sein kann.« Ihre Augen schienen fast in den tiefen Falten ihres Gesichts zu verschwinden, doch Adeen spürte, wie sie ihn aufmerksam musterte. »Du hast uns Sorgen bereitet. Dein Fieber wollte nicht sinken, drei Tage lang, und du hast geträumt wie ein verrückter Jungmagier, der von seiner Kraft abgeschnitten ist. Aber das ist wohl kaum möglich bei einer Krähe.« Anders als Charral sprach sie das Wort nicht verächtlich aus. »Überhaupt ist es ein Wunder, dass du am Leben geblieben bist. Deine Rippen müssen noch

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