Flügel aus Asche
Robe über den Kopf und drehte sich auf die Seite, weg von der Tür. Diese fremde Frau mochte ihm das Leben gerettet haben, trotzdem musste sie nicht sehen, wie elend er sich fühlte. Nach einer Weile hörte er, wie sie fortging und kurz darauf zurückkehrte. Sie stellte etwas mit leisem Klirren auf dem Steinboden ab, verharrte kurz, dann entfernten sich ihre Schritte wieder.
Der säuerliche Duft nach Rakashsuppe stieg Adeen in die Nase. Ausgerechnet! Es schnürte ihm die Kehle zu, aber er musste etwas essen. Rasmi hätte nicht gewollt, dass er gelähmt vor Trauer hier saß. Die Frau hatte ein Tablett mit Suppe, Brot und einer Waschschüssel gebracht. Er wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht ab, griff nach dem Holzlöffel und begann langsam die blaugraue Suppe zu essen, während seine Tränen in die Schüssel tropften.
»He, Talanna, Yoluan, schaut ihn euch an! Das ist der Bursche, der mich gerettet hat!«
Nemiz’ Stimme dröhnte in Adeens Ohren, und er schreckte vor seinem ungestümen Schulterklopfen zurück. Trotzdem tat es gut, Nemiz zu sehen. Abgesehen von den Krücken und der frischen Kleidung schien er sich seit der letzten Begegnung kaum verändert zu haben: Sein Haar stand noch immer in versengten Büscheln von seinem Kopf ab, und in seinem Gesicht, an Unterarmen und Händen gab es kaum ein Stück Haut, das nicht mit Schnitten und Schrammen bedeckt war. Die eingefallenen Wangen und Augenringe verrieten, dass es ihm noch immer nicht gut ging. Doch er lebte, und er hatte offenbar nicht vergessen, was Adeen getan hatte. Adeen verzog die Lippen zu etwas, was ein Lächeln sein sollte. Vielleicht wurde wirklich eines daraus. Er hatte Nemiz’ Leben gerettet, und darauf war er stolz.
Dann standen Nemiz’ Begleiter neben ihm, und in dem winzigen Raum wurde es auf einmal sehr eng. Alle sahen ihn an. »Wenn du nicht gewesen wärst, Adahn, hätten wir jetzt keinen Anführer mehr«, sagte der Mann namens Yoluan, der Rasmi und ihn am Weißen Bogen abgeholt hatte. »Das vergesse ich dir nie!« Nun konnte Adeen ihm endlich ins Gesicht sehen. Mit seinen breiten Schultern und Oberarmen war er vermutlich ein Stallknecht, außerdem roch er noch immer nach Skada-Mist. Er hatte struppiges hellbraunes Haar und einen Dreitagebart, und ein Grinsen ließ sein ganzes Gesicht aufleuchten. Großmutter ging dazwischen, als er Adeen ebenfalls auf die Schulter klopfen wollte. »Hör auf, du brichst ihm noch endgültig alle Knochen!«
Yoluan wich gehorsam zurück. »Wir alle schulden dir was, Adahn. Wenn ich was für dich tun kann, sag Bescheid.«
»Erst einmal kannst du mich bei meinem richtigen Namen nennen. Ich heiße Adeen.«
Yoluans Stirn legte sich in Falten, als höre er keinen großen Unterschied, aber er nickte. »Sicher. Mache ich.«
Nemiz’ andere Begleiterin hatte bisher nur schweigend mit verhülltem Gesicht dabeigestanden. Nun zog sie sich die Kapuze ihres Umhangs vom Kopf. Ihr Haar, kinnlang und zerzaust, war nicht einfach nur rot oder rotbraun, es hatte die Farbe von Flammen. Ihre Haut war so violett wie die anbrechende Nacht.
»Wir haben uns schon einmal gesehen, nicht wahr?«, sagte sie. »Du bist der Schreiber aus der Akademie. Der, der das Papier gestohlen hat. Ich habe gehört, dass du Nemiz geholfen hast.«
»Ihr seid Charrals Verlobte«, stellte Adeen fest, »die Draquerin.«
Sie sah ihn ausdruckslos an. »Ja.«
»Ist schon gut, Adeen«, sagte Nemiz, »Talanna steht auf unserer Seite.«
»Aber sie gehört zu dem Magier, der uns angegriffen hat!«
Talannas Gesicht war vollkommen reglos. »Nennst du mich eine Verräterin?«
Adeen erinnerte sich daran, wie sie ihn bei ihrer ersten Begegnung auf der Straße vor Charral beschützt hatte. Dennoch fiel es ihm schwer zu glauben, dass eine Draquerin, die in Rashija alle Rechte besaß und höchstes Ansehen genoss, freiwillig ihr Leben riskierte, um einer zerlumpten Rebellengruppe zu helfen.
»Ich habe Euch bei der Lagerhalle nicht gesehen«, sagte er, aber sie erwiderte nichts.
»Mit Eurer mächtigen Magie hättet Ihr es mit Charral aufnehmen können!«
Talannas Augen wurden schmal, als sie Adeen musterte, noch immer schweigend.
Was für seltsame Augen sie hat, ein so helles Braun, fast gelb.
Er spürte eine schwache, pulsierende Wärme, die von ihrem Körper auszugehen schien.
»Wenn Ihr gekämpft hättet, wären jetzt nicht so viele von Nemiz’ Leuten tot. Vielleicht wäre Rasmi nicht tot!« Seinen Namen zu nennen, löste eine solche Welle wütender
Weitere Kostenlose Bücher