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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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seine Waffe auf die Brust. Die Spitze der Klinge folgte jeder einzelnen ihrer Bewegungen, als sie sich langsam aufrichtete. Nemiz’ Blick klebte an ihren Händen. Wenn ein Magier einen Zauber wirkte, verrieten ihn zuerst die Handbewegungen.
    Adeens Zähne klapperten. Er ballte die Faust und sah, dass auch seine Hand und der Ärmel der Robe nach dem Kampf voller Blutspritzer waren. Entsetzen und Kälte erfüllten ihn. Und obwohl ihn Nemiz’ Verhalten erschreckte, musste er zugleich daran denken, was ihm Großmutter über Nemiz’ Vergangenheit erzählt hatte, dass ein Draquer seine Frau missbraucht und getötet hatte.
    »Bevor Gabta von der Hauptinsel gelöst wird«, sagte Talanna, »solltet ihr alle die Schwebezauber lernen. Nemiz, du hast die Rollen noch immer, nicht wahr?«
    Ohne seine Waffe zu senken oder Talanna anzusehen, warf Nemiz ihr seinen Rucksack zu.
    Talanna sorgte dafür, dass alle Magier gefesselt waren, damit der Unterricht ungestört ablaufen konnte. Wie zuvor versammelte sie die Rebellen um sich und verteilte die ramponierten Schriftrollen an die Gruppe. Viele der Zauber waren so durchweicht und zerknickt, dass Adeen nicht sicher war, ob sie ihre Wirkung überhaupt noch entfalten würden. Er hoffte, dass ihnen erspart blieb, es herauszufinden. Außerdem gab es nicht genügend Rollen für jeden, auch wenn Adeen und Yoluan das Glück hatten, jeweils eine zu erhalten. Nemiz sagte, dass diejenigen, die leer ausgegangen seien, sich einen Partner suchen und sich an ihm festhalten sollen, so würde die Wirkung des Zaubers auch auf sie übergehen. Talanna widersprach nicht, doch Adeen musste sich eingestehen, dass ihm Zweifel blieben.
    Sie nahm sich keine Schriftrolle.
    »Wenn wir uns in die Tiefe fallen lassen«, erklärte sie, »werden wir dank dieses Zaubers einige Augenblicke lang schweben wie Federn. Kommen wir in diesem Zustand dem Boden nahe genug, können wir sogar einen Sturz aus solcher Höhe überstehen. Ich werde euch die Worte beibringen, wiederholt sie …«
    Adeen hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Seine Konzentration entglitt ihm. Die glühenden Stelen im Raum schienen seine Blicke und seine Gedanken anzusaugen, vor allem diejenige, die in Grüntönen leuchtete. Wellen aus beißendem Gelbgrün wechselten sich ab mit sanften, erdigen Farben, und je länger Adeen darauf starrte, desto mehr schien er hineinzustürzen in das Chaos seiner Erinnerungen. Er musste alle Willensanstrengung aufbieten, um die Worte zu wiederholen, die Talanna ihnen vorsprach, und sie sich einzuprägen. Nachdem Talanna die Unterweisung schließlich beendet hatte, war er nicht sicher, ob er den Zauber gut genug beherrschte, um sich im Zweifelsfall damit zu retten. Er zwang seine Zunge, die Worte erneut zu murmeln, und noch einmal …
    »Adeen?«
    Talannas Hand legte sich auf seinen Arm. Durch den Stoff hinduch spürte er die Wärme der Berührung und blickte zu ihr auf.
    »Du starrst ins Leere«, sagte sie. »Hast du mir zugehört?«
    Er nickte. »Entschuldige. Ich fühle mich … nur seltsam. Diese leuchtenden Stelen … sind das die magischen Speicher, von denen du gesprochen hast?« Er trat auf diejenige zu, die in grünem Licht waberte. Auch wenn das Grün fast unerträglich in seinen Augen brannte, zog ihn die Farbe an. Er spürte den quälenden Wunsch, diese Farbe zu einem Teil seiner selbst zu machen, damit er sie jederzeit auf Papier wiedergeben konnte, aber er wusste nicht, wie.
    Langsam hob er den unverletzten Arm, um die Stele zu berühren. Er fühlte die pure Macht, die der Stein ausströmte, wie unsichtbare Wellen, die in seinen Körper drangen und in seinem Kopf dröhnten. Sogar das Atmen fiel ihm schwer. Zugleich kam es ihm vor, als hätte er auch dies schon einmal gespürt.
    Mit einem Mal stand Talanna neben ihm. Er hatte nicht einmal bemerkt, wie sie an seine Seite getreten war. »Lass es. Mein Vater hat mich immer davor gewarnt, Magiespeicher in irgendeiner Form zu berühren.«
    »Diese Farben … haben sie eine Bedeutung?«
    »Ja, aber darüber können wir später sprechen. Jemand muss sich deinen Arm ansehen.«
    Nicht einmal seine Verletzung kümmerte Adeen in diesem Moment. Er hatte das Gefühl, kurz vor der Lösung eines Rätsels zu stehen, eines Rätsels, das ihn betraf und um dessen Existenz er vor wenigen Stunden noch nicht einmal gewusst hatte. »Ich war schon einmal hier und habe das hier berührt … und etwas ist mit mir passiert.« Wie von selbst setzten sich die Erinnerungssplitter in

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