Flügel aus Asche
Prasseln von Kampfzaubern. Adeens Augen tränten von der Helligkeit, doch inzwischen konnte er seinen Gegner besser erkennen. Der Mann war so klein, dass er ihm gerade bis zur Schulter reichte. Mit einer Hand hielt er einen Stab umklammert, der dem ähnelte, den Adeen bei Charral gesehen hatte. Seine graue Robe war an einer Seite aufgeschlitzt, und Blutflecken breiteten sich auf dem Stoff aus. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kämpfte er darum, sich auf den Beinen zu halten, und schwang seinen Stab mit mehr Verzweiflung als Kampfgeschick.
Er sah nicht so aus, wie sich Adeen einen Feind vorstellte. Wie im Traum starrte er den Magier an, der nun Kraft für einen weiteren Zauber sammelte. Um die Fingerspitzen seiner freien Hand zuckten Funken – nur um gleich darauf wieder zu verlöschen. Mit einem gequälten Ächzen sackte der Mann auf ein Knie, und Adeen sah, dass die Handabdrücke, die er auf seinem Stab hinterließ, blutig waren. Kaum wollte es in seinen Kopf, dass er ihn verletzt hatte – er, die Krähe, einen Magier –, und wie schwer, mochten die vergessenen Götter wissen. Jedenfalls schwer genug, dass er sich nicht mehr auf seine Zauber konzentrieren konnte. Der Anblick des Blutes erfüllte Adeen mit einer wilden, fast schmerzhaften Freude und mit Entsetzen zugleich. Vielleicht musste er nur noch einmal zustechen, um den Mann zu töten.
Plötzlich war Yoluan wieder da. Er schlug dem Magier den Stab aus der Hand, packte ihn bei den Schultern und stieß ihn rückwärts gegen die halb durchsichtige Wand. Im Lärm ringsum ging der Aufprall unter, doch der Mann sackte zusammen und hinterließ eine rote Schmierspur auf dem Kristall.
»Krähe, hat er dich erwischt?« Yoluan fasste Adeens unverletzten Arm, sein Gesicht war gerötet. Adeen schüttelte den Kopf, er traute seiner Stimme nicht. »Aber du hast
ihn
erwischt!«, fügte Yoluan mit unverhohlener Bewunderung hinzu. Dann trat er auf den bewusstlosen Magier zu, stieß ihn mit dem Fuß an, und da er sich nicht rührte, machte er sich daran, ihm mit seinem Gürtel die Hände zusammenzuschnüren.
Adeen blickte sich um. Erst jetzt begann er zu zittern. So rasch, wie der Kampf losgebrochen war, hatten ihn die Rebellen auch schon für sich entschieden. Die Magier lagen überwältigt am Boden, wurden niedergedrückt oder gerade gefesselt. Es waren nicht mehr als sieben. Nemiz und Talanna hielten einen hageren alten Mann so gepackt, dass er vor ihnen knien musste. Er war ein Draquer wie Talanna, mit weißem Haar und Bart wie ein gewöhnlicher Mensch in seinem Alter, doch seine Augen waren gelb, und seine Haut hatte die Farbe von rohem Fleisch. Sein Magierstab lag vor ihm am Boden, nur einen Schritt entfernt, aber unerreichbar.
Der gesamte Raum war rund und fast so groß wie der Marktplatz im Arbeiterviertel. Über ihren Köpfen wölbte er sich zu einer kristallenen Kuppel, halb durchscheinend wie alles andere. Es war unwirklich, hier zu stehen, als wäre der Himmel eine gesprungene Schüssel aus Glas. An einigen Stellen gestatteten die Wände einen Blick nach draußen, so dünn war der Kristall. Dort sah Adeen vor allem Schwärze, nur ganz in der Ferne konnte er eine Anhäufung von Lichtern erkennen – war das die Stadt Rashija? Es gab zahlreiche Möbel, Schränke, Tische und Regale. In der Mitte des Raumes waren Schriftzeichen aus dunklerem Material in den milchigen Boden eingelassen, eindeutig ein komplexer Zauber, umfangreicher als alle, die Adeen jemals abgeschrieben hatte. Endlich erkannte er auch die Ursache für das farbige, pulsierende Licht, das sie bereits aus der Ferne bemerkt hatten. An den Wänden des Raumes standen gleichmäßig verteilt vier Stelen, doppelt mannshoch, über die Wellen aus Licht rannen. Jede glomm in einer anderen Farbe: Rot, Blau, Weiß und Hellgrün.
Grün. Strahlendes Grün, Wispern und Rauschen in seinem Kopf. Die glühenden Muster aus Zacken und Spiralen, die er vor sich sah, verschwanden nicht einmal, wenn er die Augen schloss.
Er berührte das Grün. Seine Hand, eine schmale Kinderhand, zeichnete sich einen Moment schwarz vor der Helligkeit ab, dann wurde sie davon verschlungen.
Die Flamme fraß sich in seinen Kopf, sengendes Licht verbrannte seinen Körper.
Eine plötzliche Welle von Übelkeit überschwemmte Adeen, er taumelte beiseite, sank auf die Knie und würgte. Hier war er bereits gewesen, das wusste er nun sicher, hatte diese grüne Stele berührt …
Er rang nach Atem, wischte sich den Mund ab und ließ sich
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