Flügel aus Asche
Seyk, die sich jemals in ihre Nähe getraut haben. Es heißt, ein Teil ihrer Magie stecke in ihren Haaren, aber davon konnte ich bisher nichts merken.« Mit grimmiger Befriedigung band sich Keyla den Gürtel wieder um.
»Seyk?«, wiederholte Adeen verständnislos.
»Das Protektorat Seyk. Willst du mich für dumm verkaufen?«
Der alte Mann legte ihr eine Hand auf den Arm. »Ich schlage vor, wir hören uns ihre Geschichte erst einmal an.«
Nach kurzem Zögern nickte sie. »Gut. Erzähl uns, wer du bist und was du hier machst. Und lass nichts aus.«
Adeen suchte einen Anfang. Es fiel ihm schwer, von seinem Leben in Rashija zu erzählen, während ihn mehrere Augenpaare so feindselig anstarrten. Er sah zu Boden, begann mit dem Schicksal seiner Mutter, schilderte seine Arbeit in der Akademie und dann seine Begegnung mit den Rebellen. Er erzählte von der überstürzten Flucht, dem Kampf vor der Brücke nach Gabta, der Eroberung des Turms und vom Absturz. Keylas Gesicht blieb die gesamte Zeit über ausdruckslos. »Eine reichlich abenteuerliche Geschichte, findest du nicht?«, sagte sie schließlich. »Du denkst wohl, wenn wir dir abkaufen, dass du da oben zu den Widerstandskämpfern gehört hast, vertrauen wir dir hier unten eher?«
»Warte, Keyla.« Der alte Mann wandte sich Adeen zu. »Du hast gesagt, dein Ziehvater sei bei diesem Überfall auf die Lagerhalle umgekommen. Erzähl uns von ihm, auch die Einzelheiten.«
Keyla wirkte von dem Vorschlag nicht allzu begeistert, aber sie wies Adeen mit einer Geste an zu sprechen.
Die Erinnerung an Rasmis Tod schmerzte. Adeen wusste nicht, warum sich diese Leute für Einzelheiten interessieren sollten, trotzdem suchte er nach den richtigen Worten und begann: »Rasmi war nicht einfach nur mein Ziehvater. Er war ein Künstler, ein Maler. Trotz des Verbots hat er die Leinwände mit seinen Bildern gefüllt. Und er hat auch mich immer ermutigt zu malen. Ich … weiß nicht, was Euch das angeht.« Er holte tief Luft und strich sich mit der Hand über die Stirn.
»Nur weiter«, sagte Keyla.
Und Adeen sprach über Rasmis Bilder, den Kampf vor der Lagerhalle, über den Tod seines Ziehvaters. Schließlich konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie liefen ihm über das Gesicht, und mit den gefesselten Händen konnte er sie nicht einmal abwischen.
»So, du bist also auch ein Maler«, sagte der Mann. »Es scheint, dass sie in Rashija Künstler nicht besonders mögen, was? Was ist mit deinen Bildern?«
»Sie sind unwichtig«, murmelte Adeen, der noch immer um seine Fassung kämpfte.
Zu seiner Überraschung meldete sich Yoluan zu Wort. »Er malt Vögel«, sagte er. »Sie sehen aus, als würden sie wirklich fliegen. Ich hab’s selbst gesehen.«
Keyla und ihre Leute zogen sich zur Beratung zurück. Adeen starrte auf die Fußspuren, die sie im feuchten Boden zurückgelassen hatten. Er fühlte sich hilflos und leer, wollte, er hätte nicht seine ganze Geschichte erzählt. Jedes Wort über Rasmi und seine Bilder war verschwendet an dieses Pack, das nicht einmal an seine Flucht aus Rashija glaubte.
Nach einer Weile kehrte die Frau in Begleitung des alten Mannes zurück. »Ich bin nicht völlig überzeugt, dass ihr wirklich aus der Fliegenden Stadt kommt«, sagte sie, »aber Schwärmer ist bereit, euch zu vertrauen.«
»Du liebst die Malerei, junger Mann.« Der Mann, den Keyla Schwärmer genannt hatte, blickte Adeen an, und die Falten um seine Augen wurden tiefer, als er lächelte. »So wie die Motte die Kerzenflamme und der Philosoph die Wahrheit. Man sagt, ein Herz, das liebt, kennt keine Täuschung. Und man sagt auch, dass der Sänger Dalamar seine Furcht vor dem Herrn des Totenreichs verlor, als er ihn Tränen vergießen sah über das Lied, das er ihm sang.«
Yoluan warf ihm einen fragenden Blick zu, doch Adeen wusste genauso wenig, wovon der alte Mann sprach – aber offenbar hatte er ihn mit seiner Geschichte überzeugt.
»Schwärmer übernimmt die Verantwortung, wenn ich euch freilasse.« Mit ihrem Messer machte sich Keyla zuerst an Yoluans Fesseln zu schaffen, dann löste sie die Ketten um Adeens Handgelenk. »So. Aber wenn ihr das Lager verlasst, werdet ihr einem meiner Leute Bescheid geben. Glaubt nicht, dass ich euch traue. Ich habe ein Auge auf euch. Vor allem auf dich, Magier.«
Adeen rieb seine Handgelenke. Das Blut kehrte unter Prickeln und Stechen in seine Finger zurück. Sollte er sich bedanken, weil sie ihn freigelassen hatte? »Ich bin kein Magier«,
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