Fluegel der Dunkelheit
störenden Kloß in seinem Hals wachsen. Hitze stieg im
ins Gesicht. Der Hausmeister war tot.
Nein, das hatte er
nicht gewollt. Einen solch schnellen Tod verdiente dieser Kerl nicht,
er hätte für den Rest seines Lebens leiden müssen. Ein Zucken
fuhr durch seinen Körper und der quälende Kopfschmerz kehrte
zurück. Diesmal heftiger, darüber hinaus noch anhaltender. Sogar
Tränen sammelten sich in seinen Augen. Es vergingen Minuten bis der
Schmerz endlich nachließ. Leicht benommen torkelte Traian die Straße
hinunter. Unaufhörlich prasselte der Regen auf die Erde. Eher
zufällig fiel sein Blick auf seine rechte Handfläche, die blutig
aussah. Er hielt sie in den Regen, lies dieses Zeugnis seiner Tat
einfach davonspülen. Menschenblut klebte nun an seinen Händen.
Nein, er fühlte sich damit nicht schlecht. Im Gegenteil. Hatte er
sich jemals so großartig gefühlt? Bei dieser Überlegung erstarrte
er. Was geschah nur mit ihm? Er hatte das oberste Gebot seines Vaters
missachtet: Greife niemals einen Menschen an. In diesem Moment
empfand Traian weder Schuld noch Reue. Unter seinem Mantel
beschwerten sich zappelnd die drei Begleiter über die unerwünschten
Wassermengen in ihrem Unterschlupf und beendeten damit Traians
Zweifel.
Im Norden, außerhalb
der Stadt, hatte Traian eine Ruine bezogen. Vermutlich war dies
einmal ein großes Gut gewesen. Zu beiden Seiten des Hauptgebäudes
zogen sich Stallungen und Nebengebäude entlang, sodass ein
großzügiger Hof entstand. Der verkohlte Dachstuhl moderte vor sich
hin. Das gesamte Gelände war mit einem Bauzaun abgesichert. Schilder
warnten neugierige Besucher:
»Einsturzgefahr!
Betreten verboten«
Für Traian wirkte
das Hauptgebäude viel zu massiv, als dass es zusammenbrechen würde.
Das Kellergewölbe war wesentlich älter als das Haus zu ebener Erde.
Fensteröffnungen gab es hier unten nicht. Ein ideales Reich, in dem
seine beiden Fledermausfreunde im Frühjahr sogar Nachwuchs bekommen
hatten. Popescu hatte er endgültig den Rücken gekehrt. Victor und
all die anderen mit ihren bohrenden Fragen konnten ihm gestohlen
bleiben. Bestimmt hatte das Erlernen der Selbstheilung seine
marternden Kopfschmerzen ausgelöst. Anfänglich trat dieses Phänomen
nur in großen Abständen auf und war nur von Sekundendauer.
Inzwischen nahmen seine Beschwerden jedoch zu. Explosionsartig
hämmerte der Schmerz gegen seine Schläfen, brachte ihn ans Ende
seiner Kräfte. Einmal hatte er versucht mit Selbstheilung dagegen zu
wirken, doch es hatte nichts verändert. Zwei Kopfschmerzattacken in
einer Nacht, das war schon beängstigend. Dieses Symptom verstärkte
sich, so viel stand fest. Vielleicht wuchs in seinem Kopf eine zweite
Persönlichkeit und ergriff eines Tages von ihm Besitz, so wie in der
Geschichte von ›Dr. Jekyll und Mr. Hyde‹. Mutierte er
möglicherweise zu einer barbarischen Kreatur? Sicherlich war er
bereits böse, zählte zu denen, die sich auf der Schattenseite des
Lebens befanden, die man immer nur jagte und denen man an den Kragen
wollte. Er tötete schließlich Menschen und würde von nun an von
allen Vampiren verachtet werden. Aber dann konnte er im Falle einer
Veränderung auf die gute Seite gelangen.
Nur, woran ließ
sich Gut und Böse messen? Wer bestimmte, dass der Hausmeister
ungeschoren davon kam oder der Rest dieser widerlichen menschlichen
Gemeinschaft? Traian fand auf all seine Fragen keine Antwort. Es gab
nur diese mentale Kiste, in der er alles hineinzustopfen pflegte, was
ihm unbeantwortet und rätselhaft blieb. Eine reale Truhe wäre
längst aus allen Fugen geplatzt.
Einen solchen
Zwischenfall, wie mit dem Hausmeister vor drei Wochen, sollte Traian
kein zweites Mal passieren. Kein Einziger, der mit seiner
Vergangenheit in Verbindung stand, durfte die Gelegenheit bekommen,
sich seiner Rache zu entziehen. Er beobachtete sein nächstes Opfer
Vincent Jäger sehr genau. Er wusste, wann und wo er arbeiten ging,
wo er bevorzugt einkaufen ging, mit wem er sich traf und dass er
regelmäßig Rad fuhr. Hier sah Traian eine gute Möglichkeit,
zuzuschlagen. Im Schatten der Bäume versteckt, wartete er mit dem
Blick auf Vincents Rennstrecke. Vielleicht vergingen zehn Minuten,
bis er den einsamen Radfahrer kommen sah. In der rechten Hand hielt
Traian einen ellenlangen Ast, den er im geeigneten Augenblick, als
Vincent an ihm vorbei radelte, zwischen die Speichen des Vorderrades
warf. Der Krankenpfleger flog im hohen Bogen durch die Luft, landete
nach einigen
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