Fluegel der Dunkelheit
des
Blätterdaches fiel das fahle Mondlicht auf den Waldboden. In ihren
lebhaften Vorstellungen sah sie sich in ihren Wagen steigen. So wie
in den Horrorfilmen, wenn die Opfer sich schon in Sicherheit wiegen,
wartete Klingberger versteckt auf der Rücksitzbank. Sie könnte
versuchen, nach Hause zu laufen, doch selbst über den kürzesten Weg
würde sie zu Fuß mehrere Stunden unterwegs sein, vor allem musste
sie allein eine lange Strecke durch den dunklen Wald zurücklegen.
Nein, das kam nicht in Frage. Bevor Liana den nächsten Schritt
wagte, suchten ihre Augen das Buschwerk sorgfältig ab, und zwar
nicht nur nach vorn, sondern auch zu beiden Seiten. Nach einer Weile
spürte sie, wie ihre Anspannung einen Satz machte. Für einen Moment
hielt sie den Atem an.
Klingberger schlug
wild mit den Fäusten um sich, versuchte mit gezielten Fußtritten
seinen Gegner zu treten. Liana zweifelte an dem, was sie zu sehen
glaubte. Ihre Fantasie spielte ihr einen Streich! Aber nein,
Klingbergers Widersacher war jener attraktive Mann, den Liana seit
drei Nächten zu finden hoffte.
Das war zu verrückt.
Sie hatte ihn endlich gefunden. Mit atemberaubend hohen Sprüngen
wirbelte er durch die Luft, trat Klingberger so wuchtig entgegen,
dass dieser zu Boden fiel. Er bewegte sich auffallend gelenkig,
unglaublich schnell. Lianas Mund fühlte sich trocken an. Hastig
rappelte sich Klingberger auf. Der junge Mann holte mit einem Bein
Schwung, indem er sich um sich selbst drehte, und traf Klingberger
mit dem Fuß so heftig gegen die Brust, dass dieser nach Luft
schnappend umfiel. Liana sah gebannt zu, erst jetzt bemerkte sie, wie
ihr vor Staunen der Mund offen stand, sofort machte sie ihn zu. Seine
fließenden Bewegungen glichen der Eleganz chinesischer
Kampfkünstler. Mit derartigen Fähigkeiten brauchte man Klingberger
nicht zu fürchten. Der junge Mann drehte Klingberger zur Seite, zog
die Hände auf den Rücken und legte ihm Handschellen an.
Er war also ein
Polizist! Sieh an! Da kam endlich die kriminelle Wahrheit über
Klingberger ans Licht. Liana wollte für nichts in der Welt auch nur
eine Minute seiner Festnahme verpassen. Nach der Demütigung mit der
gefälschten Diagnose zählte dieser Moment zu einem triumphalen
Augenblick. Sie hockte sich hinter ein dichtes Gebüsch und spähte
seitlich an den Blättern vorbei. Selbst der gute Guido hätte, um
Klingberger über den Waldboden zu ziehen, seine Mühe gehabt, aber
der Polizist schien sich nicht groß anzustrengen, als er Klingberger
an den Baum zog. Wie stark er sein musste, dabei bemerkte Liana ihren
schneller werdenden Herzschlag. Einen solch kräftigen Partner zu
haben, wäre traumhaft. Um den Stamm des Baumes hing ein Seil, als
habe jemand bereits für Klingberger Vorkehrungen getroffen. Die
losen Enden befestigte er um die Fußgelenke von Klingberger, der
gerade wieder zu sich kam.
»Eines Tages«, er
stöhnte, hatte wahrscheinlich Schmerzen, »eines Tages werden sie
dich kriegen. Wir werden jedenfalls beenden, was wir begonnen haben.
Du willst Rache, nicht wahr? Oh, verdammt, ich kenne nicht einmal
deinen Namen.«
Der Polizist stellte
seine Füße zu beiden Seiten von Klingbergers Kopf auf. Liana meinte
zu beobachten, wie er dabei seinen Rücken, seine Schultern streckte,
als sei es auch für ihn ein ganz besonderer Augenblick. Womöglich
antwortete er deshalb nicht, er genoss Klingberger in dieser Position
zu wissen, denn schließlich ging es hier um Rache.
»Begreifst du denn
nicht, welche Bedeutung diese Zeit für uns hatte?« Die Stimme von
Klingberger klang ungewohnt. Sollte dieser Mistkerl etwa Angst haben?
»Aber euresgleichen sind ein bemerkenswerter Beitrag zur Bekämpfung
von ...«
Der Polizist stellte
seinen Fuß auf Klingerbergs Kehlkopf. Liana musste sich auf seine
leise, dunkle Tonlage konzentrieren. »Mein Name ist Traian und
euresgleichen werden mit unseresgleichen,« er betonte die folgenden
Worte sehr deutlich, »niemals etwas gemeinsam haben.«
Traian hieß also
ihr schöner Unbekannter. Ein Name, der ihr noch nie zu Ohren
gekommen war, dabei klang er so vertraut. Traian nahm seinen Fuß
zurück. Klingberger röchelte, hustete ein paar Mal, bis er sich
wieder gefangen hatte.
»Du irrst dich«,
krächzte er. »Ich ...« Klingberger sprach nicht weiter, keinen Ton
sagte er jetzt mehr, obwohl Traian ihm lediglich ins Gesicht sah. Er
bewegte sich auch nicht, lag still da, als sei er eingeschlafen. Wie
alarmiert richtete sich Traian auf und schaute sich um.
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