Fluegel der Dunkelheit
es still.
»Sie haben
natürlich vollkommen Recht, Frau Dr. Majewski. Sie rufen am besten
Frau Gartetzky an, oder bei der Anwaltskammer. Dort wird man Ihnen
Auskunft über mich erteilen oder aber Sie suchen mich zu Hause auf,
wo ich Ihnen meine Urkunden zur Ansicht überlasse.«
Jetzt war sie
neugierig. »Ich bin für das Erste und das Letzte.« Ein Anwalt,
vorausgesetzt er war einer, sollte endlich Licht ins Dunkel bringen.
»Haben Sie die
Nummer von Frau Gartetzky? Danach mache ich mich auf den Weg zu
Ihnen, wenn es Ihnen Recht ist.« Liana notierte sich seine Anschrift
sowie die Telefonnummer der Mutter und beendete das Gespräch. Sie
bemerkte, wie gut ihr der Schlaf getan hatte, vor allem, wie ihr
Tatendrang erwachte. Sie grübelte nach dem Grund, den Frau Gartetzky
veranlasst haben könnte, den Rechtsanwalt einzuschalten.
Wahrscheinlich hatte auch die Mutter vergeblich versucht, ihre
Tochter zu erreichen. Aber was sollte dabei ein Anwalt bewirken? Als
Liana mit Frau Gartetzky sprach, bestätigte diese, mit Herrn
Bucuresti in Kontakt zu stehen. Ihr Sohn, Bettinas Bruder, habe ihn
wegen einer zweifelhaften Angelegenheit ins Vertrauen gezogen. Die
Mutter sorgte sich zuerst um ihre verschwundene Tochter und seit zwei
Tagen nun auch um ihren Sohn, den sie ebenfalls nicht erreichte. In
ihrer Not hatte sie den Rechtsanwalt angerufen. Liana erzählte ihr
dann von Bettinas Nervenzusammenbruch sowie von der Einlieferung ins
Krankenhaus. Nach diesen Neuigkeiten hielt die Mutter nichts mehr
zurück das Telefongespräch zu beenden, um Bettina sofort zu
besuchen. Für Liana gab es eigentlich keinen Grund mehr nach Potsdam
zu fahren. Bettina war wieder da, wenn sie sicherlich auch noch
einige Zeit brauchen würde, um gesund zu werden, vor allem die
Erlebnisse der vergangenen Tage zu verarbeiten und Herr Bucuresti
gehörte offenbar wirklich zur Zunft der Anwälte. Sollte er dann
nicht vielleicht über die Ereignisse bescheid wissen? Liana war noch
freigestellt, sie konnte über ihre Zeit frei verfügen, brauchte
keinen Verpflichtungen nachkommen. Seit einer Ewigkeit war sie nicht
mehr in Potsdam gewesen, hatte in der letzten Zeit zu viel Dienst
aufgebrummt bekommen. Nach dem Besuch beim Anwalt nahm sie sich vor,
einen Bummel durch die Altstadt zu unternehmen. Zuvor suchte sie sich
aus dem Internet die Anschrift der Kanzlei heraus. Schon allein um
die Glaubwürdigkeit dieses Mannes zu testen, fuhr sie zum Tizianweg.
Am massiven
Metallzaun einer großzügigen Villa glänzende das Messingschild:
Sergiu Bucuresti
Rechtsanwaltskanzlei
für Familienrecht, Gesellschaftsrecht, Handels- und Vertragsrecht
und für Verwaltungsrecht
Der Blick zum Haus
ließ Liana erahnen, wie es im Inneren aussehen könnte. Die verrußte
Fassade über den Fenstern erzählte von den Flammen, die hier
hochgeschlagen waren. Ein beklemmender Anblick. Das Haus war im
Jugendstil erbaut, mit reichlicher weißer Stuckverzierung auf
hellgelbem Putz, hohen großen Fenstern sowie einem großzügigen
Erker. Die Treppenstufen aus hellgrauem Granit im Eingangsbereich
ließen darauf schließen, dass die Renovierung des Hauses noch nicht
lange zurücklag. Dieser Sergiu Bucuresti war tatsächlich ein
kanzleiloser Rechtsanwalt. Er hatte also nicht gelogen, gewann damit
an Loyalität. Diese Voraussetzung versprach, ein interessantes
Gespräch mit ihm zu werden. Liana fuhr nun weiter zur
Gregor-Mendel-Straße, seiner Privatadresse. Die Straßen waren am
Freitagabend hoffnungslos zugeparkt, sodass Liana ein gutes Stück
laufen musste, bis sie das Haus Nummer 7 erreichte. Ein
dreigeschossiger Altbau mit ausgebautem Dachgeschoss, der
geschmackvoll saniert worden war. Bereits in der ersten Etage stand
in der geöffneten Wohnungstür ein Mann Anfang vierzig. Er war
ungefähr zehn Zentimeter größer, als Liana mit ihren knapp 170 cm.
Er hatte ein eher rundes Gesicht, mit kurzen dunklen Haaren, die
schon so manche graue Strähne offenbarten. Ein dezenter Moschusduft
lag in der Luft, als Liana auf ihn zuging. Bestimmt hatte er sich
frisch rasiert. Sein leicht südländisches Aussehen deckte sich mit
seinem Namen, den Liana für kroatisch hielt.
»Frau Dr. Majewski,
ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich herbemüht haben. Bitte
kommen Sie herein.«
Liana reichte ihm
die Hand und ging an ihm vorbei in die Wohnung. Dabei kroch ihr ein
Hauch von Sandelholz in die Nase. »Eigentlich hätte ich mir den Weg
sparen können.« Liana wartete, bis er die Wohnungstür
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