Fluegel der Dunkelheit
Reaktion zu
urteilen, hatte es mit Klingberger zu tun.
»Was meinen Sie mit
›angeblichen Sohn‹?« Er zog seine Augenbrauen hoch, als erwarte
er, eine Neuigkeit zu erfahren.
»Bettina rief mich
nach diesem Besuch an, behauptete mit Veit führe man Tests durch,
man würde ihm weh tun. Wissen Sie, Veit leidet unter Anämie,
benötigt deshalb regelmäßig Blutkonserven. Jedenfalls drückte
sich Bettina ganz merkwürdig aus. Seine Entstehung wäre ein
Verbrechen gewesen. Um auf den Punkt zurückzukommen, als ich nach
meinen freien Tagen wieder in die Klinik kam, stelle man mich wegen
der falschen Diagnose zur Rede.«
Der Anwalt rieb sich
die Stirn. »Darf ich fragen, wie alt Veit ist?«
Liana musste lachen,
da kümmerte sie sich um diesen süßen Fratz und kannte nicht mal
sein korrektes Alter. »Erwischt.« Sie dachte kurz nach. »Ich weiß
es nicht genau. Bettina hat Veit in der Charité, wo wir beide
arbeiten, zur Welt gebracht. Ich glaube, er war ein halbes Jahr alt,
als ich dort anfing.«
Der Rechtsanwalt
verlor plötzlich auffallend seine Gesichtsfarbe. Seine aufgerissenen
Augen, seine Gesichtszüge wirkten wie erstarrt.
»Geht es Ihnen
nicht gut? Sie sehen so blass aus.« Liana saß sprungbereit auf der
Couch.
Er befeuchtete seine
Lippen. »Was Sie mir da gerade erzählen, ist einfach unfassbar.«
Ein krankes Kind war
sicherlich nicht erfreulich, aber so schlimm stand es ja nun auch
wieder nicht um ihn. Was kapierte sie hier eigentlich nicht? »Was
ist daran denn unfassbar?«
Er wirkte ein wenig
verwirrt. »Entschuldigen Sie, ich wurde durch einen anderen Klienten
bereits auf Dr. Klingberger aufmerksam.« Seine Lippen verloren immer
mehr an Farbe.
»Das bedeutet
nichts Gutes, fürchte ich. Sie sehen aber wirklich sehr mitgenommen
aus.« Sein Kreislauf spielte verrückt, Liana konnte es in seinem
Gesicht erkennen.
»Keine Sorge«, er
rieb sich erneut über die Stirn, auf der sich ein paar Schweißperlen
bildeten, »ich hatte am Dienstag einen Autounfall. Der steckt mir
noch in den Knochen.«
So viel Pech, der
arme Mann. »Einen Autounfall? Dann noch das Feuer in der Kanzlei. Da
haben Sie einiges hinter sich. Sie brauchen Ruhe.« Sie sollte besser
gehen.
»Es geht schon,
danke.« Er winkte ab. »Wo befindet sich Veit jetzt?«
Liana spürte
Unsicherheit in sich aufkommen. Bei aller Sympathie dem Mann
gegenüber, aber das musste vorerst ihr Geheimnis bleiben. »Er ist
in Sicherheit. Klingberger wird ihn dort nicht finden.«
Der Anwalt trank
einen Schluck aus seinem Glas. »Und die anderen?« Er wirkte
zunehmend unruhiger.
»Welche anderen?
Außer mir weiß keiner, wo er steckt.« Bettina hatte angefangen,
etwas von einem Team zu erzählen. Folglich hatte Klingberger
Komplizen. Aber wie viele waren an dieser Geschichte beteiligt?
»Und diese Anämie«,
seine Symptome verstärkten sich nicht weiter. Vermutlich fing sich
der Anwalt, »was kann man da machen?«
»Ich habe Veit
nicht untersuchen können, dazu war weder Gelegenheit noch die Zeit.
Es gibt ja verschiedene Arten von Anämie. An welcher Art er erkrankt
ist, kann ich nicht sagen. Aber er wird gut versorgt. Solange ich ihn
bei mir hatte, war er ganz unauffällig.« In diesem Augenblick
klingelte ihr Handy. »Das ist meins.« Sie nahm das Telefon aus der
Tasche und ging ran.
»Lia, Lia!«, klang
aus dem Handy.
Ihr schlug Herz
gleich höher, als sie die vertraute Stimme hörte, aber ihr war auch
sofort klar, dass etwas nicht in Ordnung sein konnte.
»Hier ist Frau
Sperling. Hannah hat sich eine schlimme Nierenentzündung zugezogen.
Sie kann zurzeit Veit keine Bluttransfusion geben. Vermutlich muss
sie sogar morgen in die Klinik.«
Oh, das klang gar
nicht gut. »Das ist ja furchtbar. Ich fahre natürlich umgehend
los.«
»So eilig ist es
nicht, Frau Dr. Majewski. Wir können noch einen Tag warten. Es tut
mir nur für Veit so leid.«
»Unsinn! Hauptsache
Hannah wird schnell wieder gesund.« Liana beendete das Gespräch.
»Was Schlimmes?«,
fragte der Anwalt.
Wenn Klingberger
Komplizen hatte, die sie aber nicht kannte, die ihr womöglich folgen
konnten, ohne dass sie es bemerkte, brauchte sie Hilfe. Vor ihr saß,
zwar angeschlagen, aber jemand, der mehr als sie zu wissen schien.
Veit benötigte eine neue Bleibe. »Sie haben nicht zufällig ein
Kinderbett?«
»Veit?«
Liana nickte.
»Wir finden eine
Lösung, ganz bestimmt.«
Victor erwachte.
Eine unbekannte Energie lag in der Luft. Er spürte deutlich etwas
Magisches. Langsam setzte er
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