Fluegel der Dunkelheit
seinem
Kopf. Dies war nun schon der zweite Blackout. Ein merkwürdiges
Gefühl, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Er musste
damit rechnen, dadurch in eine brenzlige Situation zu kommen.
»Was ist denn
passiert?« Zum ersten Mal war er froh, dass Razvan an seiner Seite
war und ihm berichten konnte.
»Was passiert ist?«
Razvan starrte ihn an. »Mann, du hast dich auf dem Boden gewälzt,
deinen Kopf gehalten und gestöhnt, als würde deine Birne
zerplatzen. Dann bist du umgefallen und völlig weggetreten. Was ist
das denn für ein Trip?«
Das hörte sich
beängstigend an. »Weiß nicht. Hat nichts zu bedeuten.«
Razvan klang
sarkastisch »Ach. Hat nichts zu bedeuten?« Er stand auf. »Bist du
so ‘n Schizophrener?«
Dieser Druck in
Traians Kopf wollte einfach nicht nachlassen.
»Ich ... ich hab
heute noch was vor.« Razvan ging drei Schritte zurück. »Wir sehen
uns später, in Ordnung?«
Hastig drehte er
sich um und verschwand im Wald. Eigentlich fühlte sich Traian ohne
ihn sowieso viel wohler. Sein zu Hause war allerdings nicht mehr
sicher. Razvan würde bestimmt Manuel herlocken und wer weiß wen
noch. Auch Klingberger musste verschwinden. Noch immer vom
Kopfschmerz geplagt, eilte Traian zu seiner Behausung. Seine
Bettdecken stopfte er in einen olivfarbenen Seesack. Kostbare
Wertgegenstände, die er in kleinen Felsspalten versteckt hatte sowie
zwei Seile, Klebeband, Kabelbinder und fünf Kerzen packte er
zusammen. Er hatte bereits einen Plan. Oben am Bahndamm gab es eine
Weiche. An dieser Stelle fuhren die Güterzüge wesentlich langsamer.
Vermutlich lag es an einem Defekt der alten Schienen. Es sollte für
ihn kein Problem sein, unbemerkt hier aufzusteigen.
Halt! Unmöglich
konnte er verschwinden, ohne Liana noch einmal gesehen zu haben.
Zuerst musste er noch zu ihr. Wie eine Kostbarkeit zog er ihre
Visitenkarte heraus. Ein Hauch ihres Parfums stieg ihm in die Nase.
Er schloss die Augen, rief sich alle Einzelheiten der letzten
Begegnung mit ihr wach. Ihre Haut fühlte sich wie feinste Seide an.
Ihre runden Lippen, er hatte sie nicht geküsst, doch jetzt wünschte
er sich, er hätte es getan. Er spürte, wie die Sehnsucht nach ihr
in seinem Inneren zu schmerzen begann. Mit jedem weiteren Gedanken an
Liana wurde es schlimmer. Sein Herzschlag, ja sein Atem ging
schneller. Er musste zu ihr, augenblicklich. Er versteckte seine
Habseligkeiten im Wald, um sich auf den Weg nach Berlin zu machen, in
die Wrizener Straße, wo Liana wohnte.
Eigentlich ging
Traian den Menschen eher aus dem Weg, aber es gab auch Situationen,
in denen er sie bewusst aufsuchte, wenn er etwas Bestimmtes haben
wollte. Allerdings blieb es ihm rätselhaft, warum er ausgerechnet
für eine menschliche Frau derart intensive Gefühle entwickelte.
Seine Hände fühlten sich feucht an, als er auf den Klingelknopf
drückte. Es öffnete niemand. Traian holte sein Messer hervor und
fummelte am Schloss herum, bis es aufsprang. Um herauszufinden,
hinter welcher Tür Liana wohnte, brauchte er nicht auf die
Namensschilder blicken. Ihre Energie, ihr Duft verriet ihm alles. Als
er die Stufen bis zur ersten Etage hochstieg, wusste er sofort, hier
war er richtig. Er vernahm keinen Laut aus der Wohnung. Er spürte
keine Lebendigkeit. Liana musste schon länger fort sein, ihre
magische Energie war verflogen.
Der Schmerz der
Sehnsucht, der Enttäuschung bohrte sich stechend in sein Herz.
Traian schloss die Augen und ließ seinen Kopf gegen das Türblatt
fallen. Er könnte sich in ihrer Wohnung umsehen, sich ein
Kleidungsstück von ihr mitnehmen. Aber das wäre ihr gegenüber
nicht fair. Mit einem tiefen Atemzug richtete er sich wieder auf.
Klingberger musste noch weggeschafft werden und das möglichst, bevor
die Sonne aufging. Er berührte mit seinen Lippen ihre Visitenkarte,
legte sie dann auf den Fußabtreter. Er wusste nicht, wann er
zurückkehren würde, nur wie schmerzlich die Gedanken an Liana
waren.
Auf der Autofahrt
nach Hause fühlte Liana das Chaos in ihrem Kopf wachsen. Victor war
ein faszinierender Mann, selbst wenn er ihr auch ein bisschen
durchgeknallt vorkam. Mario Lehmburger würde sie vermutlich nicht
wirklich vergessen, jedenfalls sollte sie gut aufpassen und sich
nicht wieder von fremden Männern verfolgen lassen. Sie überlegte,
gleich jetzt zu Veit zu fahren. Nach diesen bewegenden Erlebnissen
kam ihr etwas Ablenkung sehr gelegen. Sie konnte ebenso gut im Auto
ein paar Stunden schlafen. Zum Frühstück dann schon bei
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